Zentrum des Fahrraddrehmoments ist die Kette. Alles dreht sich um dieses Verschleißteil und muss reibungslos laufen. Wissenschaftliche (und amateurhafte) Tests befassen sich mit dem Lauf der Kette, der Schmierung und der Abnutzung seit Jahren. Einzelpersonen bauen ganze Maschinen auf um den Lauf zu simulieren und tausende Kilometer für einzelne Tests zu absolvieren. Einzig um eine Frage zu klären: wie läuft die Kette am besten? Bedeutet: effizient und langlebig, mit geringstem Verschleiß. Eine Variante sticht dabei tatsächlich als Sieger hervor. In diesem Beitrag tauchen wir ab – und nehmen ein Wachsbad.
Typenkunde
Fahrradketten müssen laufen – und dazu gehört ein Schmiermittel. Öl, Fett oder ein Wachs (auch Paraffin). Hersteller diverser Wundermittel fürs Rad haben zudem eigene Kategorien entwickelt, um für jeden Radfahrer das richtige Produkt anzubieten. Entweder pro Fahrradgattung (Mountainbike, Rennrad, Tourenrad, etc.) oder nach Gebrauch (Flüssig– oder Trockenschmierung), auch Wet– und Dry-Lube. Zuerst also eine kurze Typenkunde.
Umwelt und Umgebung ist entscheidend
Hat eure Fahrradkette Dreck und Sand in der schmierigen Schicht angesammelt, dann frisst sich dies wie Schmiergelpapier in eure Komponenten. Das Knirschen an den Ritzeln: ein Hilferuf! Kettenblätter, Kette, Ritzelpakete und Schaltung werden überproportional beansprucht sobald die „schmutzige“ Jahreszeit kommt. Die Umwelt und eure Umgebung entscheiden über die richtige Pflege und Schmierung.
Jedes Kettenöl besteht aus einem Grundöl (Trägermittel) und Additiven. Mineralöle und synthetische Öle sind die häufigsten Vertreter. Doch auch Wachs ist ein Trägermittel mit ganz eigenen Vorzügen.
Mineralöl: ist nicht oder nur schwer biologisch abbaubar herzustellen.
Synthetische Öle: haben deutlich höhere Materialkosten in der Produktion, können aber vollständig auf pflanzlicher Basis hergestellt werden. Diese lassen sich auf natürlicher Art und Weise in der Natur abbauen.
Wachs: hat ebenfalls meist biologische Vorteile als auch den Vorzug, dass es kaum Schmutzpartikel bindet. Was die Kette sauber hält und den Verschleiß minimiert.
Doch nicht nur diese Eigenschaften der Trägermittel sind zu beachten. Fast noch wichtiger ist der Einsatzzweck und -Ort. Welche Umweltbedingungen herrschen bei euch? Wo werdet ihr das Rad einsetzen?
Trockenschmierstoffe (auch Dry-Lube):
binden weniger Schmutz und sind zum Teil mit Wachs oder Paraffin angemischt oder sind gänzlich aus Wachs. Die Kette bleibt sauber, ihr könnt mit der Hand an die Kette gehen ohne die Finger schmutzig zu machen. Jedoch bleibt das Wachs nicht lange an der Kette. Wasser (und Regen) wäscht dieses schnell aus. Die Kette muss häufig gefettet werden. Der Name „Trockenschmierstoffe“ ist ein Marketingbegriff, und es ist nicht eindeutig geklärt, ob damit die Umgebung (in der das Rad bewegt wird) gemeint ist, oder dass die Schmierung „trockener“ ist.
Flüssigschmierstoffe (auch Web-Lube):
Öl zum Tropfen (oder als Spray) auf die Kette. Binden entsprechend mehr Schmutzpartikel. Sind jedoch deutlich langlebiger an der Kette, da sie durch Regen weniger schnell ausgewaschen werden.
Additive
Der Anteil der Additive im Öl ist zwar klein, doch die Wirkung ist groß. Primär möchten die Hersteller damit Korrosion vorbeugen, Verschleiß minimieren und zur Wasserverdrängung verhelfen.
Doch auch hier gilt: Vorsicht vor dem Kauf. Manche Additive machen das Öl problematisch im Abbau. PTFE (Teflon) beispielsweise als Additiv ist in dieser Hinsicht problematisch. Hier solltet ihr eure eigenen Prioritäten kennen. Die Additive können den Verschleiß minimieren und die Effizienz erhöhen, gerade bei Rennradfahrern deshalb sehr beliebt.
Fahrradkette Wachsen – Die beste Option?
Anhand der oben beschriebenen Basics habe ich mich für eine ganz neue Methode entschieden: Fahrradkette wachsen statt fetten. Also gar nicht erst auf ein Trägermittel zum Tropfen setzen, sondern die ganze Kette in einem Wachsbad tauchen. Nicht nur der Weg dahin, sondern auch die Entscheidung war lange.
Basics des Kettenwachsens
- Kette wird komplett vom Öl befreit (eine vollständige Reinigung der Kette ist notwendig, welche gänzlich Öl vom Metal entfernt)
- In einem Wachsbad wird die nun komplett entfettete Kette eingetaucht
- Überschüssiges Wachs wird entfernt und die Kette montiert (vorab sollten alle Kettenblätter und Ritzel gereinigt werden)
- Die gewachste Kette wird nicht mehr über Öl nachgefettet (optional mit einem wachsbasierten Kettenfett nachfetten)
- Löst sich die schützende Wachsschicht (etwa ab 400-800km Laufleistung) muss ein neues Wachsbad genommen werden
Warum das Wachsbad?
Meine Motivation auf Wachs zu setzen setzt sich aus vielen einzelnen Vorteilen des Wachs.
- Verschleißschutz: Alle Teile des Antriebs (Ritzelpaket, Kette, Kettenblätter) haben eine deutlich längere Lebenszeit und es gibt weniger Verschleiß. Manche Experten sprechen von einer ums 4-fache verlängerten Laufzeit der Komponenten. Gerade bei extrem kostspieligen Rennrad-Komponenten (Shimano Dura Ace, etc.) ist dies auch eine Kostenfrage, denn diese Teile müssen seltener ersetzt werden.
- Effizienz: Eine gewachste Kette läuft effizienter. Wo weniger Reibung und Verschleiß dort ist logischerweise auch weniger Reibung die Wärme statt Forttrieb erzeugt. Diese Effizienz bewegt sich aber im „Marginal Gains“ Bereich, also wenn man sonst nichts mehr an seinem Rennrad optimieren könnte. Ein generell sauberer Antrieb wird nur minimal langsamer sein.
- Sauberkeit: Man kann die Kette berühren ohne dreckige Hände zu bekommen. Eine gewachste Kette ist angenehm beim Transport und beim Arbeiten am Rad, da man sich keine Sorgen um den Schmutz machen muss. Gewachste Ketten binden keinen Schmutz und das merkt man.
- Umweltverträglichkeit: Kaum eine Methode ist so leicht abbaubar wie das Wachs. Jedoch haben auch spezielle Produkte Additive, die diese Eigenschaft zunichte machen können.
Für mich ist beim Rennrad einfach das Gefühl der maximalen Effizienz ein großer Treiber. Zudem läuft die Kette wahnsinnig ruhig, ist immer blitzsauber und macht mich nicht dreckig.
Doch nun stellt man sich die absolut entscheidende Frage:
Kette Wachsen in der Praxis
Ich habe nun einige Zyklen des Kettenwachsens durchgespielt und kann aus Erfahrung sprechen, dass ich beim Kettenwachsen bleiben werde. Am Rennrad ist das einfach die beste Lösung, insofern man sich enthusiastisch mit seinem Rad beschäftigt und es in Schuss hält. Zumindest an meinem primären Rennrad, aber nicht zB. an meinem Winterrad, das etwas weniger Liebe bekommt.
Hier zeige ich euch meinen Prozess des Kettenwachsens. Dann kann jeder selbst entscheiden wie nerdig das nun ist.
Benötigtes Werkzeug und Mittel:
- Kettenwachs (ich benutze Molten Speed Wax) für das Wachsbad
- Schongarer (genau, ein Küchenwerkzeug um Gemüse zu garen) um das Wachs auf die optimale Temperatur zu bringen
- Fahrradketten (ich habe zwei Shimano Ultegra Ketten, die ich im Wechselmodus fahre; eine am Rad und eine am präparieren und vorhalten)
- Kettenwerkzeug (Kettenzange zum Öffnen des Quick-Links)
- Wiederverwendbare Quick-Links
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Gerade die Quick-Links für die Kette (Kettenschloss) sind eine kleine Herausforderung, denn die Kettenschlösser von Shimano zum Beispiel sind nicht wiederverwendbar (laut Herstelleraussage). Dies ist jedoch einem selbst überlassen, wie häufig man das Schloss öffnen und schließen möchte, es bricht nicht sofort sondern nutzt sich immer etwas ab. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, kauft sich qualitativ hochwertige und wiederverwendbare Kettenschlösser von Connex:
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Ich habe aber bisher auch Shimano Kettenschlösser mehrfach verwendet und damit kein Problem.
Voraussetzung für meine Anleitung
Dem aufmerksamen Leser ist aufgefallen, dass ich keinerlei Lösungsmittel, Reinigungsbenzin, Alkohol oder Ultraschallreiniger genannt habe. Denn die Kette muss vor dem Wachsbad gereinigt werden, oder? Ja – unbedingt! Doch diesen Schritt muss man nur initial durchführen, um das original verwendete Öl zu entfernen. Alle weiteren Schritte und Zyklen kommen ohne diese aggressive Reinigung aus.
Da ich ungerne mit so vielen Chemikalien hantiere und diese vmtl. sehr selten einsetzen würde, habe ich mich entschieden eine fabrikgewachste Kette zu nehmen. Eine, die bereits vorgewachst geliefert wird. Diese sind deutlich teurer, aber für mich ein guter „trade-off“.
Wachsbad
Wie folgt gehe ich vor, um eine gewachste Fahrradkette zu montieren bzw. zu wechseln. Mit zwei Ketten im Rotationsprinzip funktioniert dies am besten.
Auch wenn es sich kompliziert anhört, der Prozess dauert nicht lange. Und man muss dies, je nach eigenem Pensum mit dem Rennrad, nur alle 1-2 Monate durchführen. Im Winter fahre ich keine gewachste Kette. Und in der Saison muss ich so die Kette nur wenige Male präparieren.
Stärken und Schwächen dieser Methode
Anhand der Beschreibung oben kann nun jeder entscheiden, ob diese Methode etwas für euch ist. Klar, es ist etwas speziell und nicht ganz gewöhnlich. Gerade in Deutschland ist diese Methode noch nicht ganz geläufig. Unter Rennrad-Bloggern aber durchaus schon bekannt:
- derbaranski.de „Kettentuning mit Molten Speed Wax“ (der Kollege bietet sogar den Service an gewachste Ketten für euch zu präparieren)
- cyclingclaude.de „Kette wachsen mit wenig Aufwand„
Doch lasst uns kurz über die Stärken und Schwächen des Wachsbads sprechen. Über meine Motivation und Vorteile habe ich oben ein paar Punkte angeführt. Dies bleibt auch weiter so bestehen.
Welche Nachteile und Schwächen ergeben sich aber?
- Kettenreinigung:
Generell wird man die Kette bei beiden Methoden (Ölen und Wachsen) häufig anfassen. Ob um altes Öl und Schmutz zu entfernen und neu zu fetten oder um das Wachsbad (wie oben beschrieben) durchzuführen. Aber in welchem Fall ist der Aufwand höher? Für mein Rennrad kann ich klar sagen, die Wachsmethode ist deutlich leichter und zeiteffizienter!
Sorgt man sich am Rennrad um eine stets saubere Kette mit klassischem Öl, dann ist man alle 200km dabei diese komplett zu reinigen und Öltropfen auf jedes Kettenglied zu geben. Im besten Fall sogar nach jeder längeren Ausfahrt. Das ist bei der gewachsten Kette deutlich eleganter. Wenn auch das Wachsbad selbst minimal mehr Aufwand (am Stück) bedeutet. In Summe ist man mit dem Wachsen auf eine komplette Saison gesehen effektiver. - Schlechtwetter-Performance:
Bei Regen wäscht die gewachste Kette schneller aus und das Schmiermittel geht verloren. Das ist wahr. Wenn ihr also häufig und gerne bei Regen ausfahrt, dann kann das den Wechselzyklus negativ beeinflussen, ihr müsst die Kette häufiger neu präparieren. Nach meiner Erfahrung ist dies aber nicht so schlimm wie häufig behauptet. Ich bin bei leichtem Regen, Nieselregen und nassen Straßen häufiger unterwegs (als Hamburger). Solange man nicht im strömenden Regen über längere Zeit (über 30 Minuten starker Regen) fährt, dann hatte ich bisher keine Probleme mit der Kette. - Werkzeug und Vorbereitung:
Man muss sich mit dieser Methode sicher im Umgang mit seinem Werkzeug und Material sein. Zudem braucht man eben neue Mittel (Schongarer, Kettenwachs, wiederverwendbare Quick-Links). - Schlechter Rostschutz:
Wenn ihr in Meeresnähe wohnt oder die Kette doch häufiger nass wird, dann ist Wachs kein guter Korrosionsschutz.
Noch mehr – bzw. den ausführlichsten Guide der Welt – findet ihr im „An endless FAQ to Chain Waxing“ von CyclingTips.
Ein paar FAQs von meiner Seite
Wie häufig wird die gewachste Kette in der Praxis gewechselt?
Ich habe meine gewachste Kette bis zu 1.000km gefahren, als ich zB. von München nach Hamburg gefahren bin. Dabei habe ich mehrmals die Kette mit speziellem Wachs zum Tropfen nachgeholfen und die Schmierung der Kette aufrecht erhalten. Auf der Tour hat es an 3 von 4 Tagen geregnet, es war jedoch kein Problem.
Mit solchen wachsbasierten Schmiermitteln zum Tropfen kann man die Schmierung der Kette auch über so lange Distanzen aufrecht erhalten.
In der Regel wechsle ich die Kette aber zwischen 400-600km (und Tropfe zwischendurch 1-2 Mal etwas Wachs nach).
Mein Fazit
Mit der „faulen“ Methode auf die chemische „Tiefenreinigung“ zu verzichten ist der Weg zu einer gewachsten Kette nicht weiter kompliziert. Zudem spart man sich viel Zeit die Kette neu zu Ölen und aufwendig zu reinigen, das Wachsen selbst ist ein vergleichsweise schneller und unkomplizierter Prozess. Zumindest für mich als Rennrad- und Fahrradtechnik-Enthusiast ein absolut gangbarer Weg. Um noch mehr Zeit mit meinem Rad zu verbringen 😉
Wachst Ihr schon, oder Ölt ihr noch? Freue mich auf eure Erfahrungsberichte!