Zug und Rad sollten das perfekt-ikonische Duo sein. Sind sie aber nicht. Die Deutsche Bahn verfolgt nach wie vor kein Interesse diese Kombination als Schlüssel für die Mobilitätswende zu installieren. Stattdessen gibt es Feigenblätter in Form von 4-8 Stellplätzen im modernsten ICE. Die bitte mindestens 24 Stunden vorab reserviert werden müssen. Und natürlich nie verfügbar sind, wenn man seine Reise plant. Doch die Rettung naht. In Form einer Tasche!
Lest hier wie ich auf eigenes Risiko (für euch) diese Lösung teste und riskiere aus dem Zug verbannt zu werden. Kann man sein Rad in einer Tasche im ICE mitnehmen, oder nicht? Ein Selbsttest.
Rinko, Taschen und Züge
Wer sich mit Radtransport im Zug beschäftigt wird sofort mit einem ganz neuem Begriff konfrontiert: Rinko. Klingt japanisch und ist es auch. Im Land der aufgehenden Sonne reist das Rad schon lange in einer Tasche im Zug mit. Salop würde ich „Rinko“ als Rad im Sack übersetzen. Eine Methode um Rad und Bahn miteinander kompatibel zu machen.
Der japanischen Kultur des „sich-zurücknehmens“ folgend ist Rinko eine sehr defensive Variante des Radtransports. Der Radreisende ist angehalten alles techn. mögliche zu unternehmen um das Rad auf den kleinstmöglichen Platzbedarf zu trimmen. Inklusive den Lenker und Gabel aus dem Rahmen zu demontieren. Von Laufrädern und Pedalen nicht zu sprechen.
Echte Meister dieser Methode brauchen weniger als 10 Minuten um das Rinko-Paket zu packen und später auch wieder aufzubauen.
Ich würde diese Methode als sehr speziell und eher als Idee mit auf den Weg nehmen. Wahrlich praktikabel muss eher eine Zwischenlösung sein, denn man kann sich viele Abstufungen vorstellen:
- Maximal sperrig: ein Rad mit allen Packtaschen im Zug mitnehmen. Das geht nur mit einem vorher reservierten und ergatterten Stellplatz.
- Irgendwas dazwischen: das Rad wird teilweise zerlegt, der Grad des Zerlegens ist individuell mit sich selbst auszumachen (auf diese Variante möchte ich weiter im Detail eingehen)
- Rinko: das Rad wird so weit zerlegt wie es praktisch nur möglich ist. Das Paket ist unheimlich kompakt und in jedem Zug mitnehmbar, ganz ohne jegliche Konfrontation mit Mitreisenden und Bahnpersonal.
Entspricht praktisch einem Falt- (ehem. Klapp-)Rad.
Noch mehr Tipps und Insider-Wissen zum japanischen Rinko findet ihr hier: „Ab in den Sack, rein in den Zug – so wird das Rad zum Handgepäck“ (https://fahrradzukunft.de/34/standard-rad-als-handgepaeck-im-zug)
Urban Myths zum Rad-Gepäck und ICE-Fernreisen
In manchen Communities und Foren als auch Zeitschriften heißt es entweder, Du darfst jegliches Fahrrad in einem „Mantel“ (zB. Spannbetttuch oder Laken, zwei Kopfkissen, eine Mülltüte oder sonst wie kreativ verpackt) mitnehmen. Anderorts liest man wieder, dass das gar nicht in Ordnung ist, und man vermutlich vom Bahnpersonal aus dem Zug gebeten wird. Tatsächlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.
Spielregeln und Beförderungsbedingungen seitens der Deutschen Bahn
Kurz und knapp hat die Deutsche Bahn einige Regeln für die Mitnahme von Fahrrädern im ICE:
- Reservierung: Eine Reservierung für das Fahrrad ist zwingend erforderlich und sollte so früh wie möglich erfolgen.
- Fahrradticket: Ein separates Fahrradticket ist im Regio- und Nahverkehr erforderlich. Die Kosten dafür variieren je nach Strecke und Buchungszeitpunkt.
- Verpackung: Falträder und demontierte Fahrräder, die in einer Transporttasche verpackt sind, können als normales Handgepäck mitgenommen werden, ohne dass eine Reservierung oder ein Fahrradticket erforderlich ist.
- Zugtyp: Die Mitnahme von Fahrrädern ist nicht in allen ICE-Zügen möglich. Du musst im Voraus prüfen, ob dein gewünschter Zug die Mitnahme von Fahrrädern erlaubt.
Folgende Regeln gelten im ICE
Ich fokussiere mich aber am liebsten auf den ICE, weil das am interessantesten und gleichzeitig kniffligsten für mich ist.
Gepäck darf im Fernverkehr (ICE/InterCity) kostenfrei mitreisen, sofern es der Größe nach in Gepäckfächern, zwischen den Sitzen oder in der Hutablage Platz findet. Sperriges Gepäck, welches nicht in diese (nie exakt in cm übersetzte) Dimensionen passt, ist nicht gestattet. Einzige Ausnahme gilt bei Kinderwagen, Rollatoren, Rollstühlen und zusammengeklappte Falträder bis 20″ (Zoll) Laufradgröße. Weiter gehen die Beförderungsbedingungen der Bahn nicht darauf ein.
Final ist die frage also nicht entschieden, sondern es kommt wirklich auf die Situation und die Entscheidung des Zugführers an. Es kann ein proppevoller ICE mit viel Verspätung und ausgefallener Klimaanlage sein, oder aber der letzte und fast komplett leere Berlin-Hamburg Express sein. Die Sachlage vor Ort ist entscheidend dann.
Das geringste Risiko hast Du, wenn folgende Faktoren zu deinen Gunsten sind:
- das Rad ist wirklich gut verpackt (zB. in einer speziell dafür vorgesehenen Tasche, vielleicht sogar Hard-Case) und hat keine scharfen Kanten und Stellen.
- das Paket aus Sack-und-Rad ist sehr klein, passt womöglich tatsächlich in ein Gepäckfach. In manchen Fernverkehrszügen gibt es zwischen 1.-Klasse und Speisewagen auch größere Stauplätze.
- der Zug ist möglichst nicht in der Hochsaison ausgebucht, du bist womöglich alleine mit diesem großen Paket und nicht mit einer 10-Mann-und-Frau Équipe am Start, die alle ein riesen Paket hinter sich her zerren.
Damit sollte es auf jeden Fall klappen!
Folgende Regeln gelten im Fernverkehr in Frankreich, Italien und anderen EU-Ländern
Ich habe für euch noch ein paar Regeln aus den Nachbarländern recherchiert.
Deutlich spezifischer sind die Restriktionen im französischen SNCF und in der Trenitalia:
- Frankreich: Die SNCF erlaubt die Mitnahme von Fahrrädern in vielen ihrer Züge, jedoch sind die Bestimmungen je nach Zugtyp unterschiedlich. In einigen Zügen ist die Mitnahme von Fahrrädern kostenlos (in manchen Städten bzw. Regionen), in anderen muss ein Ticket gekauft werden. Für den Fernverkehr gilt die max. Kantenlänge des Gepäckstücks von 120cm max.
- Italien: Ähnlich wie Frankreich, jedoch ist die max. längste Kante des Gepäckstücks 110cm.
- Großbritannien: Die meisten Züge erlauben die Mitnahme von Fahrrädern kostenlos, jedoch ist oft eine Reservierung erforderlich. Falträder können kostenlos als Handgepäck und ohne Reservierung mitgenommen werden.
- Niederlande: Die NS erlaubt die Mitnahme von Fahrrädern in den meisten ihrer Züge, jedoch ist ein Fahrradticket erforderlich. Falträder können kostenlos als Handgepäck mitgenommen werden.
Selbstexperiment mit einer TranZport-Bag
Nun habe ich mir folgendes Ziel gesetzt. Mit dem kleinstmöglichen Gepäck und Rennrad unterwegs, ohne „Übergewicht“ und vollen Taschen reisen. Nach der Arbeit als längere Feierabendrunde, aber eben als Langstrecke zu einem weiteren Ziel und nicht im Kreis. In meinem Experiment: Hamburg – Wittenberge. Mit knapp 150km Strecke ein gutes Ziel für eine 5 Std-Ausfahrt. Natürlich mit Rückenwind, dieses Level an guter Planung und Timing ist vorausgesetzt 😉
Dabei hatte ich nur das, was ich auch bei einer kleinen Runde mit dem Rennrad dabei hätte: Pumpe, Werkzeugtasche, Trinken und eine Windweste. Plus, und das ist ja das eigentliche experiment, eine sog. „TranZBag“ des französischen Herstellers.
Die Tasche ist aus dünnem aber festem Nylon. Sie ist leicht genug und nicht sperrig. Beim Fahren stört diese nicht und ist in der Größe gut dimensioniert.
Ich habe noch zusätzlich kleine Schlauchenden gebastelt, um die Carbongabel etwas besser zu schützen:
Und nun ab dafür, die Zeit war gekommen: der Wind stand gut und das ICE Ticket kurzfristig gebucht. Weil ich nicht auf die Stellplätze angewiesen bin geht das ganze eben auch spontan. So sollte es immer sein.
Die Stunden auf dem Rad waren schön, die Straßen nach dem Feierabendverkehr total ruhig, der Sonnenuntergang einzigartig. Als ich in die Zielstadt Wittenberge einrollte. Und dann ging es schon ans eigentliche Experiment.
Am Gleis waren es nur wenige Handgriffe:
- TranZBag auspacken und entfalten
- Vorderrad aus der Gabel ausbauen
- Gabelende separat verpacken (siehe Schutz oben)
- loses Laufrad und Fahrrad mit einem kleinen Seil, Kabelbinder oder ähnlichem fixieren
- Tasche zu
Hier und da gibt es gute Abstellplätze für solches Sperrgepäck. Zudem war dieser ICE von Berlin nach Hamburg auch schön leer.
Ärger mit dem Zugführer hatte ich gar nicht. Das Paket, welches nicht nur unscheinbar nach Fahrrad aussah, sondern ein echter „Wink-mit-dem-Zaunpfahl“ ist. Ein minimal Gefühl der Dreistigkeit ist auf jeden Fall gegeben. Aber in Summe ist es wohl ein Kompromiss, bei dem man ein Auge zudrücken darf. So hoffe ich zumindest, denn ich werde diese Tasche und diese Variante der Feierabendrunde noch häufiger machen. Sollte ich mal doch Ärger bekommen, dann werde ich berichten.