Müde Hände und Rücken, noch bevor die Beine sich zu Wort melden? Dann stimmt etwas mit der Einstellung auf dem Rad nicht. Radfahren muss nicht wehtun. Dennoch beklagen sich die meisten auf dem Rad früher oder später über taube Hände oder den Rücken.

Das Stichwort „Bikefitting“ boomt. Dabei dreht sich alles um die perfekte Einstellung des Rads an die Körperproportionen des Fahrers/Fahrerin. Doch muss man dazu direkt zu einem Spezialisten? Kommt drauf an. Viele Punkte kann und sollte man schon zuhause durchführen. Ich zeige euch wie ihr das Rad in eine gute Ausgangsposition bringt. Wer dann nicht weiterkommt hat noch immer die Option auf das Bikefitting beim Profi.

Neues Rad – Neue Schmerzen

Oft kommt die Frage nach dem perfekten Rad mit dem Radkauf. Sobald ihr „Rahmenhöhe“ bei Google sucht seid ihr schon auf bestem Weg die ersten Fachbegriffe zu finden. Stack, Reach, Sloping und die effektive Rahmenhöhe. All das kann man sich erklären, doch was ist denn „meine Ideale“ Rahmenhöhe, Stack und Reach? Ich werde am Beispiel von drei Rädern die Frage hier im Detail behandeln: am Rennrad, Gravel Bike und an einem Touringbike.

Schließlich kommt es auf zwei Ausgangspunkte an:

  1. welches Rad möchtest Du fahren (Rennrad, Trekking, MTB?)
  2. welche Bedingungen bringst Du mit (Physis und Proportionen)

Der erste Teil ist leicht. Beim zweiten Punkt muss man schon etwas genauer bestimmen was das bedeutet. Die Ausgangspunkte und folgende Schritte sind aber einfach aufeinander aufzubauen. In den nächsten Kapiteln zeige ich wie man sich seinen Weg vom Tretlager zum Sattel und Lenker findet. Um eine (halbwegs) ideale Ausgangsbasis zu haben.

Tun oder nicht tun – das ist hier die Frage

Was kann und sollte man Zuhause machen, was ist zu tief in der Materie und was zu oberflächlich? Das Thema Bikefitting ist ausreichend komplex. Deshalb hier eine kleine Abgrenzung, was ich hier machen möchte und was nicht. Themen die hier nicht behandelt werden:

  • Optimale Kurbellänge (Abstand Tretlager zum Pedal bzw. Cleat am Schuh)
  • Generelles Fahrverhalten des Rades (Nachlauf, Agilität des Rads, etc.)
  • Schuheinstellung (Cleats bzw. Pedalplatten optimal einstellen und Thema Schuheinlagen)
  • Bikefitting generell (ein profi. Bikefitting macht viel mehr als die hier erwähnten Schritte „für Zuhause“)

Ihr seht also, dass es durchaus noch viel viel mehr Themen gibt in die man tiefer eintauchen könnte und sollte. Ein paar davon werde ich noch in einem Blogbeitrag aufgreifen. Aber es bleibt zu betonen: dies hier ersetzt kein professionelles Bikefitting. Ich zeige, welche Dinge es beim Einstellen des Rads zu beachten gibt und was grob die ideale Rahmenhöhe und -Größe ist. Passend zu eigenen Wünschen.

Bikefitting „Selbstgemacht“ – Aufbau

Eine gute Ausgangsbasis zum gut eingestellten Rad erreicht man in aufeinander aufgebauten Schritten. Wie beim „Malen nach Zahlen“ fangen wir die Reise an den Kurbeln (Pedalen) an, gehen hoch zum Sattel und dann von dort aus zum Lenker. Es gibt tatsächlich einige konstante Abstände, die im Ideal bei den meisten Radfahrern proportional gleich einzustellen sind. Und wenn dann etwas nicht passt ist man schon einen Schritt weiter in der Fehlereingrenzung.

Folgende Schritte und Anleitung gilt als allgemeines Ideal und folgt einem statistischen Bild. Für euch individuell könnte das Ergebnis mit diesen Standards hilfreich sein, schließlich ist es eine gängige Ausgangsbasis in Magazinen und Fachbüchern. Dennoch kann es durchaus sein, dass ihr individuell von manchem Durchschnitt abweicht und die Einstellungen nicht perfekt sitzen. Deshalb versteht bitte diesen Ratgeber als Richtwert und nicht als euren persönlichen Idealwert. Falls ihr trotz dieser Einstellungen kein gutes Gefühl auf dem Rad habt, dann ist der nächste Schritt mit einem Experten vor Ort (Bikefitter) zu sprechen, der euch individuell beraten kann.

Ausgangsbasis für die ideale Einstellung ist ab Tretlager, also der Mitte eurer Kurbeln (Pedale). Von hier geht es erst Mal in Richtung Sattel. Denn der Abstand vom Po zum Fuß am Pedal folgt einem gängigen Richtwert der in aller Regel bei allen gleich ist. Auch die Position des Sattels (horizontal) kann man anhand des Abstands zum Pedal in gewissen Stellungen genau bestimmen.

Nach dem Sattel geht es in Richtung Lenker. Nun wird es komplizierter, da man hier auch die Ansprüche an die Haltung stellt. Es kommt auf den Winkel an, wie flach oder aufrecht ihr unterwegs sein möchtet. Daraus ergibt sich eine gewisse Reichweite von-bis für die Entfernen zum Tretlager und Sattel. Dazu gleich mehr.

Aus diesen Schritten leitet ihr die finale optimale Stack und Reach ab, inklusive des Aufbaus am Lenker und Vorbau. Abgestimmt nach euren Zielvorgaben, wie sportlich ihr auf dem entsprechenden Rad sitzen möchtet.

Kurz zusammengefasst das Grundkonzept:

  1. Pedale und Tretlager sind fix, von hier geht jegliches Customizing los
  2. Sattelhöhe perfekt einstellen
  3. Sattelabstand nach vorne/hinten optimal einstellen
  4. Eigene Ansprüche und Physis prüfen
  5. Rückenneigung wählen
  6. Lenkerunter- oder Übersetzung davon ableiten
  7. Optimalen Stack und Reach bestimmen
  8. Ideale Fahrradrahmengröße finden

Und nun übertragen wir diese Theorie mal in die Praxis.

Fahrrad perfekt einstellen: Mein Rennrad, Gravelbike und Trekkingbike

Disclaimer: Ich habe bereits mehrere Bikefitting-Sessions hinter mir. In den letzten Jahren hatte ich mehrfach die Gelegenheit bei unterschiedlichen Experten meine Sitzposition optimal einstellen zu lassen. Und habe so viele verschiedene Meinungen und Einstellungen mitbekommen. Gleichzeitig glaube ich, dass man schon viele Punkte auch zuhause ordentlich einstellen kann. Gerade wenn man viele Räder zuhause hat, kann man nicht jedes Rad zum Fitting bringen und behilft sich mit den beschriebenen Schritten. So kann man durchaus jedes Rad an seine Wünsche anpassen!

Auch ist dieser Beitrag sehr stark in Anlehnung an einen Artikel in der Zeitschrift TOUR-Magazin entstanden, die Ausgabe könnt ihr Online selbst nachlesen (kostenlos), siehe Werbeblock unten zur Kooperation mit Readly. Einige Teile des Vorgehens findet ihr auch dort wieder. Wobei dieser Beitrag auch viel Input aus anderen Quellen berücksichtigt und über die Daten des Beitrags aus dem Magazin hinaus geht.

In meinem Fall zeige ich das Bikefitting am Beispiel von einem Rennrad, welches ich nicht sehr sportlich fahre (sondern hauptsächlich zum Pendeln zum Büro nutze), mein Gravel Bike (das ich vergleichsweise sportlich und auf Langdistanz fahre) als auch an einem Trekkingbike. Dabei nehme ich mein Lastenrad als Trekkingbike her, da ich aktuell kein anderes Trekking- oder Stadtrad besitze.

Körperproportionen bestimmen

Schrittlänge korrekt ermitteln
Die Schrittlänge ist die Ausgangsbasis für alle Radanpassungen

Für die optimale Einstellung brauchen wir verschiedene Maße.

  • Schrittlänge: Miss den Abstand vom Schritt zum Boden. Am besten an eine Wand stellen, mit einem Buch „auf Anschlag“ hoch gezogen und an die Wand gepresst. Der Abstand von Buchkante bis Boden ergibt dann die Schrittlänge.
  • Armlänge: Mit einem Stift in der Hand den Abstand des ausgestreckten Arms von Schultergelenk zum Stift messen.
  • Rumpflänge: Nimm die Schulterhöhe (aufrecht stehend den Abstand Boden zur Kuhle zwischen den Schulterblättern) und ziehe die Schrittlänge ab.

Für mich habe ich folgende Daten gemessen:

186cm Körpergröße mit 87cm Schrittlänge, 73cm Armlänge und eine Rumpflänge von 67 (Schulterhöhe 154cm minus 87cm Schrittlänge).

Sattelhöhe und -Abstand optimal einstellen

Für alle drei Räder wird der Sattel identisch eingestellt. Die Sattelhöhe ist der erste Punkt bei jedem Fitting. Dafür gibt es zwei Faustregeln.

Sattelhöhe Einstellen: Schrittlänge x 0,885 ist eine mögliche Faustregel

Die gängigste Variante ist Schrittlänge mit einem Faktor von 0,885 zu multiplizieren. Dies ergibt fast immer eine optimale Einstellung. Eine andere Variante kommt komplett ohne Maßband aus. Setz dich auf den Sattel mit angezogenem Radschuh. Stelle nun den Sattel so ein, dass beim ausgestreckten Bein die Ferse das Pedal durchdrückt. Ohne das Becken zu verschieben, aber gleichzeitig das Bein durchstrecken und mit dem Fuß den Kontakt am Pedal behalten. Diese Einstellung ist meist ebenfalls sehr nah am Ideal.

Für mich gilt: Schrittlänge 87cm x 0,885 = 77cm

Nun muss ich den Sattelabstand zum Lenker optimal einstellen, also den Sattel in der Waagrechten verschieben.

Auch dazu gibt es einen relativ einfachen Weg den Abstand optimal einzustellen. Dabei muss das Knie direkt über dem Fußballen sein, wenn das Pedal waagrecht in der „3 Uhr“ Stellung steht. Siehe Bild:

Am Knie kann man die ideale Stellung des Sattels in der Waagrechten abmessen. So wisst ihr ob der Sattel nach hinten oder vorne verschoben werden sollte.

Mit einem Seil kann man diesen Abstand auch mit Hausmitteln optimal bestimmen. Auch hier richten wir uns nach einem Ideal, welches aus dem Lehrbuch kommt. In den meisten Fällen ist die Einstellung so optimal für den Sattel. Nun haben wir also den ersten wichtigen Grundstein gelegt und können uns nach Vorne zum Lenker vorarbeiten.

Stack, Reach und Lenkereinstellung allgemein

Die Füße auf den Pedalen und den Hintern fest im Sattel. Mit diesen zwei Fixpunkten kann man den dritten und letzten optimal bestimmen. Doch das ist nicht einfach Mathematik. Jetzt kommen eure persönlichen Präferenzen stärker zum Tragen. In meinem Fall bedeutet das fürs Rennrad, Gravel- und Trekkingbike genau zu unterscheiden. Wie sportlich soll die Überhöhung sein? Oder sprechen wir gar von einer negativen Überhöhung? Vorher müssen wir die Fachbegriffe aber definieren. Und ein paar Maße und Winkel bestimmen.

Meist wird Stack (a) und Reach (b) von Tretlager bis Steuerrohr-Oberkante am Rahmen gemessen; doch das ist für das Bikefitting nicht zielführend.

Stack und Reach

Dies sind der Abstand vom Tretlager zum Lenker. Stack in der Senkrechten und Reach in der Waagrechten. Genauer gesagt wird Stack und Reach am Rahmen gemessen (Tretlager bis Oberkante des Steuerrohrs des Fahrradrahmens). Jedoch ist das unpraktisch, weil wir die Hände nicht am Rahmen sondern am Lenker platzieren. Fahrradhersteller nutzen jedoch meist den Rahmen als Messpunkt, weil Lenker und Vorbau individuell angepasst werden können. Um diese Ungenauigkeit besser zu begegnen spricht man auch von „Stack+“ und „Reach+“ wenn man die genaue Endposition am Lenker meint. Und „Stack“ und „Reach“ alleine würde ich als Rahmen-Definition bezeichnen. Angelehnt an das TOUR-Magazin, siehe Link unten.

Überhöhung

Damit ist der senkrechte Höhenunterschied zwischen Sattel und Lenker gemeint. In der Regel ist der Sattel höher als der Lenker. Bei Trekking und Freizeiträdern kann das aber auch ganz anders aussehen, da ist der Lenker häufig wenigstens auf gleicher Höhe oder gar höher.

Wunschhaltung bestimmen

Wie möchte ich nun auf dem Rad sitzen? Sportlich bedeutet stark nach vorne geneigt und langgestreckt, es liegt viel Gewicht auf den Händen und die Rückenmuskulatur wird stärker beansprucht. Das Gegenteil ist ein aufrechter Rücken, dabei liegt das gesamte Gewicht auf dem Hintern. Das ist nicht immer förderlich, gerade bei längeren Strecken. Schmerzen im Gesäß entstehen auch deshalb, weil zu viel Körpergewicht auf einem Punkt lastet. Rennradfahrer können nur deshalb auf brettharten Satteln viele Stunden sitzen weil das Gewicht auf Händen und Füßen besser verteilt wird. Ein kleines Paradoxon der Radwelt.

Von l nach r: Trekkingrad (Lastenrad), Gravelbike, Rennrad und Rennrad Unterlenker

Für mein Bikefitting-Experiment zu diesem Beitrag habe ich drei Räder und vier Positionen aufgenommen. Man sieht eine enorme Veränderung in der Haltung, also alles wie erwartet. Doch wie und wann möchte man nun wie sitzen? Es kommt drauf an.

Allgemein gilt für die Haltung etwa folgende Formel:

  • Gerader Rücken (entspanntestes Fahren): 90° bis etwa 80° Neigung.
  • Leicht sportlich (Trekking Bikes): 80° bis 70°.
  • Sportlich (Gravel Bike, Einstieg ins Rennradfahren): 70° bis 60°
  • Rennrad – Neutral: 60° – 45°
  • Rennrad – Sehr sportlich: < 45°

Für das Bikefitting an dieser Stelle nehmen wir zwei Werte an, in Anlehnung an die Methode aus dem TOUR-Magazin (siehe unten verlinkt). Das sind einmal ein „Haltungsfaktor“ und die Überhöhung (Sattel über Lenker). Diese Werte entnimmt man einfach der Tabelle passend zur eigenen Ambition und Situation. Die Überhöhung ist zusätzlich von der Körpergröße abhängig.

Wert \ HaltungGerader RückenLeicht sportlich
(Trekking)
SportlichRennrad – NeutralRennrad – Sportlich
Haltungsfaktor0,450,500,520,5350,55
Überhöhung
(Körpergröße)
Gerader RückenLeicht sportlich
(Trekking)
SportlichRennrad – NeutralRennrad – Sportlich
150-160cm0mm0-10mm0-20mm20-30mm30-70mm
160-170cm0-10mm0-20mm10-30mm30-50mm50-80mm
170-180cm0-20mm10-30mm20-40mm40-70mm70-120mm
180-190cm10-30mm20-40mm30-50mm50-90mm90-140mm
190-200cm20-40mm30-50mm40-60mm60-100mm100-160mm

Beide Werte lassen sich hier einfach ablesen und in etwa in einem Bereich bestimmen.

Für meine Konfigurationen habe ich folgende Werte definiert:

Wert \ BikeTrekkingGravelRennrad
WunschhaltungLeicht sportlich.SportlichRennrad – Sportlich
Haltungsfaktor0.450.520.55
Überhöhung
(186cm Körpergröße)
20mm50mm90mm

Aus diesen Werten kann man nun alle optimalen Rahmenwerte genau bestimmen. Sprich: Stack+ und Reach+ (als Werte, wie sie bis zur Hand am Lenker gedacht sind und nicht nur bis zum Rahmen-Ende). Entsprechend ist mein Rad dann optimal eingestellt.

Die beiden letzten Formeln um die idealen Stack- und Reach-Werte zu bestimmen sind:

  • Stack+ (Lenker): Sitzhöhe x 0,96 – Überhöhung
  • Reach+ (Lenker): (Rumpflänge + Armlänge) x Haltungsfaktor – (Sitzhöhe x 0,29) + 100

Optimale Werte für meine Räder.

Und das beste: ich bekomme mit diesem Ansatz nicht nur direkt optimierte Werte für mich und mein Rad. So habe ich direkt auch einen Ausgangspunkt für eine Kaufentscheidung bei einem neuen Rad. Wer also gerade überlegt welche Rahmenhöhe bzw. Rahmengröße optimal ist kann so genau eine Rahmenhöhe mit den richtigen Stack und Reach Werten heraussuchen.

Trekking BikeGravel BikeRennrad
Optimaler Stack+ (Lenker):
770mm x 0,96 – 20mm =
719mm
Optimaler Stack+ (Lenker):
770mm x 0,96 – 50mm =
689mm
Optimaler Stack+ (Lenker):
770mm x 0,96 – 90mm =
649mm
Optimaler Reach+ (Lenker):
(67cm + 73cm) x 0,45
– (77cm x 0,29 ) + 100 =
506mm
Optimaler Reach+ (Lenker):
(670mm + 730mm) x 0,535
– (770mm x 0,29) + 100 =
625mm
Optimaler Reach+ (Lenker):
(670mm + 730mm) x 0,55
– (770mm x 0,29) + 100 =
646mm

Bikefitting Werte Abgleichen

Da ich bereits ein Bikefitting hinter mir habe (mit dem Rennrad aus dem Foto) kann ich nun die theoretisch bestimmten Werte mit der Realität (Ergebnis des Fittings) abgleichen.

Laut Bikefitting kam ich auf folgendes Ergebnis:

Zum Vergleich – folgende Werte sind zwischen Theorie und Fitting abweichend.

MessgrößeTheorieBikefitting
SattelhöheSchrittlänge * 0,885:
770mm
773mm
Sattelabstand
(Waagrecht zu Tretlager)
(Nicht genau bestimmt)191mm
Überhöhung
(Sattel zu Lenker)
90mm87mm
Stack+
(Senkrecht Tretlager zu Lenker)
649662mm
Reach+
(Waagrecht Tretlager zu Lenker)
646mm482mm

Gut, die Werte liegen sehr nahe beieinander! Das Ergebnis zwischen Realität (Bikefitting beim Profi) und den hier theoretisch ermittelten kommen auf ein sehr ähnliches Ergebnis.

Nur der Reach weicht stark voneinander ab. Doch das ist auch auch schnell erklärt: beim Bikefitting wurde der Reach am Oberlenker gemessen und nicht am Bremshebel. Die meiste Zeit fährt man aber in der Position an den Bremshebeln. Der Abstand dazwischen sind in meinem Fall genau 110mm. Somit ist der Bikefitting-Wert: 482mm + 110mm = 592mm.

Die Differenz ist immer noch bei erheblichen 50mm! Was genau bedeutet das? Kurzer Blick auf die Formel für den Reach+: (670+730)*0,511 – (770*0,29) + 100 = 592

Der Haltungsfaktor ist entscheidend! Beim Bikefitting kann ich die Formel einfach umkehren und komme auf einen Haltungsfaktor von 0,511. Bei meiner Rechnung hatte ich jedoch die etwas sportlichere Variante gewählt: 0,55! Wenn ich also jetzt meinen Vorbau von aktuell 100mm auf 50mm kürze, dann komme ich auf den 0,511 Faktor aus dem Bikefitting.

So seht ihr wie die einzelnen Werte aufeinander wirken. Ihr könnt euch auch von hinten an die optimalen Werte herantasten. Oder sogar ein neues Rad als Ausgangsbasis nehmen und für euch bestimmen, bei welchem Haltungsfaktor ihr herauskommt. Und ob dieser zu sportlich oder zu wenig Sportlich ist! Das mache ich im letzten Kapitel auch noch schnell.

Werte beim Neuradkauf anwenden

Nun könnte ich überlegen mir ein neues Rennrad zu kaufen (wer überlegt nicht und geht Mal online Schaufenster-Bummeln). Welche Werte kann ich aus der Theorie für den Neuradkauf übernehmen und wie hilft das weiter? Ich zeige auch das in einem kleinen Beispiel einmal auf.

Da ich nun meine optimalen Stack+ und Reach+ Werte passend zu meiner Wunschhaltung kenne kann ich die perfekte Rahmengröße für ein neues Rennrad schnell finden. Nehmen wir beispielsweise ein Rose Reveal Six. Folgende Größen gibt es:

Die Rahmengrößen 50, 53, 55 und 64 scheiden aus. Weil durch Schrittlänge oder Überstand limitiert (rot markiert in Tabelle).

Alle anderen Größen 57, 59 und 61 sind möglich. Reach und Stack sind bis zum Rahmen angegeben. Beim Reach kommen ca 100mm durch den Vorbau und nochmal 110mm durch den Lenker dazu. Auf die sehr sportlichen 644mm komme ich aber trotzdem nicht ganz, mit keinem der Rahmen. Dann wäre ein extra langer Vorbau nötig. Aber eventuell sollte ich mir die sportliche Ambition mit dem Haltungsfaktor von 0,55 noch einmal genau überlegen.

Beim Stack ist 649mm das Ziel. Das erreicht man mit allen drei Rahmengrößen und ein paar Spacern sehr leicht. Lediglich die 61cm Rahmengröße wäre vermutlich schon zu groß und damit zu hoch. Schließlich kommen neben Spacern auch die Steigung am Vorbau hinzu. Und desto sportlicher man fahren möchte, desto mehr Platz nach unten lässt man. Optional verzichtet man auf Spacer, wenn man gut im Training ist oder ein Rennen fährt.

Fazit

Ich hoffe dieser Beitrag hilft euch in der Kaufentscheidung und beim Bikefitting an eurem Rad. Gleichzeitig habe ich Angst, dass in einem einzigen Beitrag so viele komplexe Themen abzuhandeln etwas überladen ist. Nach so vielen Fachbegriffen und vielen Absätzen und Schritten… konnte jemand bis zum Schluss folgen? Mal die Werte selbst ermittelt und dann komplett für sich interpretiert? Schreibt mir einen Kommentar! Mich würde sehr interessieren wie euch der Beitrag weitergeholfen hat!

Falls ihr das Thema noch einmal anders aufbereitet haben möchtet, dann lest die Ausgabe der TOUR von 03-2021. Hier könnt ihr einen Probemonat abonnieren mit Readly. Ganz ohne Verpflichtung zum Verlängern – ihr könnt nach dem Probemonat direkt kündigen.

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