In den allermeisten Fällen orientiert sich der Alltagsradler beim Fahrradrahmen alleine an der Rahmenhöhe, wenn es um den Kauf eines neuen Fahrrads geht. Dabei liefern Literatur und Internet einen wahren Almanach zu allen Punkten der Fahrradrahmengeometrie – wenn man sich bloß umschaut. Mit diesem Beitrag möchten wir einen umfassenden und informativen Überblick dazu geben – wenngleich es nur möglich ist, einen Bruchteil des Wissens zur Fahrradgeometrie in einem einzelnen Beitrag zusammenzufassen!
Hier erklären wir kurz und für Laien verständlich, wie sich Faktoren wie Nachlauf und Radstand auf das Fahrgefühl auswirken. Vergleicht die Werte eures Fahrrads mit den Durchschnittswerten in der Klasse (Rennrad, Fitnessrad, MTB). Und ihr wisst sofort ob euer neues Rad sich verhält. Ist es laufruhig oder nervös, wie ist die Wendigkeit, usw.
Wer die richtige Rahmenhöhe sucht, der kann mehr zur Wahl der passenden Fahrradgröße hier erfahren.
Übersicht zu den Größen der Fahrradgeometrie
An erster Stelle eine anschauliche Schnell-Übersicht zu allen relevanten Größen der Fahrradgeometrie, mit Angaben zu den Auswirkungen auf das Fahrverhalten und Zusammenhängen zwischen verschiedenen Faktoren.
Diagramm | Rahmen-Faktor | Fahreigenschaft | Zusammenhänge |
---|---|---|---|
Rahmenhöhe (von Mitte-Tretlager bis Ende-Sitzrohr) | Weitreichende Auswirkungen auf Fahrradgeometrie - sollte zur Schrittlänge des Fahrers passen! | Hoher Rahmen → langes Oberrohr, steiler Steuerrohrwinkel, kleiner Nachlauf, hoher Radstand | |
Stack (von Mitte-Tretlager bis Lenkerhöhe) | Siehe Rahmenhöhe! | Siehe Rahmenhöhe! | |
Reach (von Mitte-Tretlager bis Lenker) | Siehe Rahmenhöhe! | Siehe Rahmenhöhe! | |
Steuerrohrwinkel (Winkel von Steuerrohr zur Waagrechten) | Lenkverhalten: steiler Steuerrohrwinkel → direktes (bis zu nervöses) Lenkverhalten | Steiler Steuerrohrwinkel → niedriger Radstand, niedriger Nachlauf | |
Sitzrohrwinkel (Winkel von Sitzrohr zur Waagrechten) | Sitzhaltung: es besteht ein ideales, ergonomisches Verhältnis von Sattel zu Tretlager, abhängig von Fahrradart | -- | |
Radstand (von Mitte der hinteren bis Mitte der vorderen Ausfallenden) | Wendigkeit / Geradeauslauf: Hoher Radstand sorgt für guten Geradeauslauf, kleiner Radstand sorgt für gute Wendigkeit | Abhängig von Rahmenhöhe / Stack und Steuerrohrwinkel | |
Nachlauf (von Aufstandspunkt-Vorderrad bis Aufstandspunkt-Steuerrohr (Lenkachse)) | Lenkverhalten: hoher Nachlauf → stabiles (bis zu verzögertes) Lenkverhalten | Abhängig von Steuerrohrwinkel, Gabelbiegung und Reifengröße |
Definition und Erläuterung zu den Größen der Fahrradgeometrie
Die obige Übersicht bedingt noch zusätzlicher Erklärungen, wie sich diese Größen aufeinander und auf das Fahrverhalten auswirken. Manche Dinge beeinflussen sich in direkter Relation, während andere Dinge umstandshalber voneinander abhängig sind. Aber was bringt ein solches Detailwissen zu den verschiedenen Maßen des Fahrradrahmens?
Letztendlich hängen die meisten Größen beim Fahrradrahmen in der einen oder anderen Weise von der Rahmenhöhe ab. Da die Grund-Annahme der Rahmenhersteller darin besteht, dass ein Fahrer, der den höheren Fahrradrahmen wählt, auch eine höhere Körpergröße hat, steigt mit größerer Rahmenhöhe auch die Oberrohrlänge. Damit steigen theoretisch gesehen auch nahezu alle anderen Größen am Fahrrad. Doch Fahrradrahmen gibt es in verschiedensten Formen und bereits eine kleine Grad-Änderung beim Steuerrohrwinkel kann solchen Überlegungen einen Strich durch die Rechnung ziehen. Um das Fahrverhalten eines Fahrrads einzuschätzen, benötigt es daher Hintergrundwissen darüber, wie sich die verschiedenen Größen beim Fahrrad gegenseitig bedingen und welche Auswirkung jede einzelne Größe hat.
Rahmenhöhe oder Stack-Reach-Ansatz
Stack und Reach bezeichnen im Prinzip vergleichbare Faktoren wie Rahmenhöhe und Oberrohrlänge, werden jedoch auf eine andere (präzisere) Weise nachgemessen.
Dadurch reichen meistens schon Stack und Reach, um zumindest die Sitzhaltung auf dem Fahrrad genau angeben zu können. Rahmenhöhe und Oberrohrlänge können bei den Berechnungen der Fahrradgeometrie aus verschiedenen Gründen zu Fehlerquellen werden. Trotzdem spricht man meistens von Rahmenhöhe, weil der Begriff anschaulicher und bekannter ist. (→ mehr zu Stack und Reach erfährst Du hier: Stack und Reach – Das Neue und Präzise Verfahren)
Rahmenhöhe sollte immer der ausschlaggebende Faktor bei der Bestimmung des passenden Fahrrads sein und die Rahmenhöhe sollte zur Körpergröße bzw. Schrittlänge des Fahrers passen. Aber die anderen Größen der Fahrradgeometrie sind nicht außer Acht zu lassen. Auch muss man die Rahmenhöhe letztendlich auf das Fahrverhalten des Fahrers und der Gesamtbeschaffenheit des Fahrrads anpassen.
Auswirkung von Rahmenhöhe auf das Fahrrad
An sich spielt die Rahmenhöhe nur bei Diamantrahmen (Herrenräder, die keine Mountainbikes sind) eine Rolle: So sollte etwas Zwischenraum zwischen dem Oberrohr und dem Schrittende des Fahrers bestehen, wenn er aus dem Sattel nach vorne absteigt und mit beiden Beinen „über“ dem Fahrrad steht.
Doch man nimmt die Rahmenhöhe generell als leitende Größe, was die Gesamtgröße des Fahrrads angeht. Es ist schließlich nur logisch, dass Fahrräder mit höherem Rahmen auch in den anderen Dimensionen entsprechend größer sind, um einem größerem Fahrer gerecht zu werden. So steigt die Länge des Oberrohrs (oder alternativ Reach) mit steigender Rahmenhöhe.
Damit würde wiederum der Radstand des Fahrrads steigen: Diese Größe bezeichnet den Abstand der hinteren zu den vorderen Ausfallenden und gibt damit das Maß für die „Länge“ des Fahrrads an. Dies hat physikalische Auswirkungen auf das Fahrverhalten in dem Sinne, dass ein Fahrrad mit höherem Radstand einen besseren Geradeauslauf hat, sich beim Fahren in gerader Richtung stabiler verhält. Andererseits sinkt die Wendigkeit des Fahrrads.
Um diesem Effekt entgegen zu wirken, haben Fahrräder mit größerer Rahmenhöhe generell einen steileren Steuerrohrwinkel. Das bedeutet, dass Steuerrohr und Gabel steiler verlaufen (senkrecht), wodurch das vordere Ausfallende nach hinten verschoben wird und der Radstand sinkt. Inwiefern der Radstand eines größeren Fahrrads sich von einem kleineren Fahrrad unterscheidet, lässt sich anhand der Rahmenhöhe allein nicht bestimmen.
→ Die Auswirkung von Rahmenhöhe (oder alternativ Stack) auf Oberrohrlänge (oder alternativ Reach) ist eine direkte Relation. Das Verhältnis von Rahmenhöhe, Radstand und Steuerrohrwinkel zueinander ist eher umstandshalber und kann je nach Rahmenform abweichen!
Weitere Auswirkungen von Steuerrohrwinkel und Nachlauf
Das ist noch nicht das Ende der Zusammenhänge und Verkettungen von Folge-Wirkungen. Denn der Steuerrohrwinkel hat eine weitere Auswirkung auf das Lenkverhalten des Fahrrads: Je steiler der Steuerrohrwinkel ist, umso direkter das Lenkverhalten. Bei besonders sportlichen Rädern ist ein möglichst direktes Lenkverhalten wünschenswert, doch für einen Alltagsfahrer wirkt ein solches Lenkverhalten „hypernervös“: Jede kleine Bewegung des Lenkers resultiert in einer sofortigen Bewegung des Vorderrads (zitterndes Verhalten)!
Doch wenn man genau sein möchte, so ist es eigentlich der Nachlauf, der für das Lenkverhalten verantwortlich ist. Der Nachlauf beschreibt eine theoretische Größe: Man messe zwischen dem Aufstandspunkt des Vorderrads bis zu dem Punkt, an dem das Steuerrohr den Boden (theoretisch) berühren würde. Damit ist der Steuerrohrwinkel maßgeblich für die Größe des Nachlaufs, doch auch die Gabelbiegung (Versatz der Gabel nach vorne), die Laufrad- und Reifengröße beeinflussen den Nachlauf und damit das Lenkverhalten.
Da der Nachlauf vom Reifen abhängig ist, findet man diesen Wert selten bei Fahrradrahmen; stattdessen muss man sich an Steuerrohrwinkel und evtl. an der Gabelbiegung orientieren.
Den passenden Fahrradrahmen finden
Nun weiß man Bescheid über die Zusammenhänge der Fahrradgeometrie und mit etwas Glück findet man einen Hersteller bzw. Onlineshop, der entsprechende Angaben zu den angebotenen Fahrradrahmen bereitstellt. Doch wie interpretiert man diese Größen? Wie findet man den passenden Fahrradrahmen bzw. das passende Fahrrad? Woran orientiert man sich? Genau das ist die Aufgabe dieses Abschnitts: einen Anhaltspunkt zu geben für die Standard-Fahrradgeometriegrößen jedes Fahrradtyps.
Für unsere Durchschnittswerte nutzten wir die Rahmengeometrie-Maße verschiedener Hersteller: Ritchey, Cinelli, Salsa, Nicolai, Santa Cruz, Conway und Juliana.
Bitte bedenke, dass es in Sachen Rahmenhöhe je nach Rahmenform und – Hersteller große Unterschiede gibt, weshalb es zu Verwirrung kommen kann, wenn man sich alleine anhand der Rahmenhöhe orientiert.
Rahmengeometrie Rennrad
Hier einige Durchschnittswerte für Rennradrahmen und Fahrer mit sportlichen Ambitionen. Der niedrige Radstand (unter 1000mm) sorgt für eine hohe Wendigkeit und der niedrige Stack erlaubt für einen niedrigen Lenker, während der Sattel hoch über dem Rahmenoberrohr schwebt.
Rahmenhöhe | Stack | Reach | StR-Quotient | Steuerrohrwinkel | Sitzrohrwinkel | Radstand |
---|---|---|---|---|---|---|
52cm (S) | 530mm | 385mm | 1,38 | 72° | 74,5° | 985mm |
57cm (L) | 570mm | 395mm | 1,45 | 73° | 73,5° | 995mm |
62cm (XL) | 610mm | 405mm | 1,5 | 73,5° | 73° | 1010mm |
Rahmengeometrie Gravel / Cyclocross
Hier die Durchschnittswerte für die rennradähnlichen Rahmen-Typen: Gravel, Cyclocross und Touren-optimierte Rahmen fallen darunter. Die Maße dieser Rahmen nähern sich denen von Trekking- und MTB-Rahmen an.
Rahmenhöhe | Stack | Reach | Steuerrohrwinkel | Sitzrohrwinkel | Radstand |
---|---|---|---|---|---|
50cm (S) | 530mm | 370mm | 70,5° | 74° | 1005mm |
55cm (M) | 570mm | 380mm | 71,5° | 73° | 1020mm |
60cm (L) | 600mm | 395mm | 72° | 73° | 1035mm |
Rahmengeometrie Trekking / Cross / Fitnessbike
Hier die Durchschnittwerte für Fahrräder mit komfortablerer Fahrweise: Alle Trekkingräder, Cross-, Fitnessbikes und Stadtäder sind hier mit eingeschlossen. Der Stack liegt höher, die Winkel sind flacher und der Radstand ist größer als bei Rennrädern. Dadurch sind diese Rahmen ergonomischer, erlauben eine komfortable Sitzhaltung und haben einen optimierten Geradeauslauf.
Rahmenhöhe | Stack | Reach | StR-Quotient | Steuerrohrwinkel | Sitzrohrwinkel | Radstand |
---|---|---|---|---|---|---|
50cm (S) | 550mm | 380mm | 1,45 | 71° | 73,5° | 1015mm |
57-60cm (L) | 610mm | 400mm | 1,53 | 71° | 73° | 1080mm |
63cm (XL) | 640mm | 415mm | 1,54 | 72° | 72,5° | 1100mm |
Rahmengeometrie Mountainbike
Hier die Durchschnittswerte für aktuelle Mountainbike-Rahmen verschiedener Disziplinen für Reifengröße 27,5“. Der Trend bei MTBs geht zu immer längeren, niedrigeren und flacheren Bikes. Der Radstand in Überlänge sowie der flache Lenkwinkel geben diesen Rahmen eine enorme Stabilität, womit sich das Rad auch auf rasanten Touren beherrschen lässt.
Empfohlene Körpergröße | Stack | Reach | StR-Quotient | Steuerrohrwinkel | Sitzrohrwinkel | Radstand |
---|---|---|---|---|---|---|
ab 160cm (S) | 600mm | 410mm | 1,46 | 69° | 74° | 1100mm |
ab 170cm (M) | 620mm | 420mm | 1,48 | 69° | 73° | 1115mm |
ab 180cm (L) | 640mm | 430mm | 1,49 | 69° | 73° | 1140mm |
FAQ
Touren- und Reiseräder unterscheiden sich immens untereinander. Viele Radfahrer, die an das Rennrad gewöhnt sind, bevorzugen die Rennrad-Geometrie mit sportlicher Sitzhaltung auch für längere Touren, da man lange Radwege damit am schnellsten abfährt. Deshalb steigt auch die Nachfrage nach speziellen Gravel- und Cyclocross-Rahmen (welche den klassischen Rennrad-Rahmen sehr ähnlich sind). Andere Radreisende bevorzugen die konventionelle Sitzhaltung und fahren daher mit Trekking-Rahmen, die einen höheren Stack und einen höheren Radstand haben. Diese Rahmen haben zwar weniger Wendigkeit, aber einen besseren Geradeauslauf, wodurch das Fahrgefühl stabiler ist.
An Fixies und Singlespeed-Rädern spielt vor allem der Rahmen eine entscheidende Rolle: Ohne der soliden Stahlrahmen-Optik würde niemand das Fixie als solches erkennen. Ein Singlespeeder mit MTB-Rahmen wäre unvorstellbar. Gemeinhin benutzt man klassische Rennrad-Rahmen mit steiler, nahezu rechtwinkliger Rahmengeometrie. Man sollte sich aber bewusst sein, dass diese Optik auch mit Folgen einhergeht, die das Fahrgefühl beeinflussen! Probiere selber aus, ob Du dich mit solchen Fahrradrahmen anfreunden kannst. Ansonsten findet man immer Fahrradrahmen, die von der Norm abweichen. Gemeinhin sind solche Fahrräder sehr wendig und das Lenkverhalten ist sehr direkt, was für den Einsatz auf urbanen Strecken sinnvoll ist.
Jeder kennt das Gefühl, wenn man auf einem Fahrrad sitzt, das sich perfekt fahren lässt. So ein Fahrrad passt sich wie ein maßgeschneiderter Handschuh an die Hand des Fahrers an. Es gibt verschiedene Faktoren am Fahrradrahmen, die maßgeblich entscheidend sind für das Fahrgefühl und Lenkverhalten des Fahrrads – Faktoren, die darüber entscheiden, ob man das Rad seiner Träume wiederfindet. Um sicherzugehen, dass du ein solches Fahrrad / einen solchen Rahmen findest, befasse dich mit den verschiedenen Größen der Fahrradgeometrie! Messe selber an deinem Altrad nach und vergleiche die Ergebnisse mit den Maßen von anderen Rahmen.