Was Fahrradreifen angeht, sind allerlei Systeme im Umlauf, um die Größen der Reifen anzugeben. Obwohl die ISO/ETRTO-Größen der universelle Standard sein sollen, beharren Mountainbike-Hersteller auf das englische System mit Zoll. Wenn man mal versucht, die Fahrradreifen selber nachzumessen, kommt man oft wiederum auf eine ganz andere Größe, was die Verwirrung umso mehr vergrößert – denn weder ETRTO noch das englische System scheinen der tatsächlichen Reifengröße gerecht zu werden. Oft sind Fahrradreifen nämlich etwas schmaler, als angegeben – woran liegt das?

Verschiedene Standards

Zu allererst ein kleiner Exkurs zu den verschiedenen Größenstandards bei Fahrradreifen. Man muss sich erst mal im Klaren darüber sein, was bei den verschiedenen Systemen überhaupt gemessen wird. Genaueres dazu erfährst Du in unserem Beitrag: Fahrradreifen und -schlauchgrößen.

ETRTO, Englische und Französische Reifengrößen-Notation in der Übersicht.

Das am weitesten verbreitete System in Europa ist mittlerweile das ETRTO-System – das sieht z.B. so aus: „37-622“, wobei die erste Größe die Reifenbreite angeben soll und die zweite Größe den Innendurchmesser des Reifens. Damit weiß man immer, ob der Reifen zur jeweiligen Fahrradfelge passt (da andere System stattdessen den gesamten Durchmesser des Rads samt Reifen messen). Dieser Standard wurde deshalb auch von der ISO (International Organization for Standardization) zum internationalen Standard für Fahrradreifen erklärt. Trotzdem findet sich das englische System immer noch fast genauso oft; bei Mountainbikes liegt die Präferenz sogar beim englischen System. Da kommt es nämlich stärker darauf an, wie groß der Gesamtumfang des Reifens ist und wie viel der Reifen abfedern kann.

Abweichende Reifenbreite

Sowohl dem ETRTO-System als auch dem englischen System ist gemein, dass sie die Breite des Reifens angeben. Immerhin gilt die Reifenbreite als einer der wichtigsten Faktoren bei der Wahl des Reifens und darüber hinaus manchmal sogar bei der Wahl des Fahrrads – denn nicht jeder Reifen passt zu jedem Fahrrad. Wer beispielsweise ein Cyclocross- oder Gravel-Bike bauen möchte, wird einen speziellen Rennradrahmen brauchen, der auch breitere Reifen unterstützt. Sonst könnte der Reifen am Rahmen schaben.

Woher kommt es dann, dass die tatsächliche Reifenbreite oft ein weniger schmaler ist als angegeben? Es ist nicht unüblich, dass der Reifen bis zu drei Millimeter schmaler ist. Das liegt an unterschiedlichen Faktoren bei der Herstellung von Fahrradreifen.

Faktoren bei der Produktion

Zu allererst muss man anmerken, dass bei der Produktion von Fahrradreifen ganz andere Größen relevant sind. Von maschineller Seite kommt es eher auf das Volumen innerhalb des Reifens an, also auf die Innenbreite. Fahrradreifen aus der gleichen Manufaktur können unterschiedlich breit sein und im Inneren trotzdem die gleiche Breite haben – für beide Reifen wurde bei der Vulkanisierung des Reifens das gleiche Gerät verwendet. Um jegliche Verwirrungen bei der Herstellung zu verhindern, geben manche Hersteller beiden Reifen die gleiche Größenangabe. Wie breit der Reifen wird, kann vor der Herstellung auch schwer vorhergesagt werden. Mehrere Faktoren machen das schwierig: Es kommt auf die verschiedenen Materialien im Reifen an, auf die Dichte des Gummis, etc.

ISO-Standard Toleranz

Was sagt der internationale ISO-Standard dazu? Bei der Massenherstellung von Teilen ist es üblich, dass die Teile nicht alle genau der Größenangabe entsprechen, sondern dass sie innerhalb eines bestimmten Toleranzbereichs liegen. Bei Metallteilen beträgt diese Toleranz weniger als 0.1mm oder 0.01mm. Was Gummi angeht, sind bei der Massenherstellung deutlich größere Schwankungen ganz normal – deshalb ist es von der ISO auch vorgesehen, dass die Toleranz bei der Breite von Fahrradreifen mehrere Millimeter betragen kann. Doch die Toleranz bezieht sich dabei ausschließlich ins Negative, nicht ins Positive – ein Fahrradreifen mit der ISO-Angabe 37-622 darf also maximal 37mm breit sein, kann aber mehrere Millimeter schmaler sein. Denn bei einem zu breiten Reifen besteht die Gefahr, dass er nicht mehr zum Fahrrad passt. An zu schmalen Reifen stört sich der Großteil der fahrradfahrenden Bevölkerung nicht.

Wie misst man die Reifenbreite richtig?

Nicht zuletzt möchten wir in diesem Beitrag außerdem eine Anleitung dazu geben, wie man die Reifenbreite richtig misst. Damit geht man sicher, dass der Größenunterschied nicht bloß daran liegt, dass man falsch gemessen hat. Um die Breite deines Reifens zu messen, brauchst Du einen Messschieber.

Lege den Messschieber zunächst so eng wie möglich an den Reifen an. Dabei wird der Reifen ein wenig gequetscht – das ist normal. Deshalb sind wir an dieser Stelle noch nicht wirklich mit dem Messen fertig. Entferne den Messschieber nun wieder, sodass sich der Reifen wieder ausdehnt (aber ohne den Messschieber zu öffnen). Wenn Du nun versuchst, den Messschieber wieder an den Reifen zu pressen, passt der Messschieber wahrscheinlich nicht. Versuche daher, den Messschieber nach und nach um einen Millimeter (oder einen Millimeterbruchteil) zu öffnen, bis der Messschieber ohne großen Kraftaufwand auf den Reifen passt. Damit weißt Du, wie breit der Reifen tatsächlich ist.

Mehr Fahrreidreifen-Nerd-Kram könnt ihr auch in diesem Podcast mit Jan Heine hören: Antritt vom Okt 2019.