Stahl ist Stoff aus dem Traumfahrräder gebaut werden. Kleine Manufakturen in Berlin, London, UK und sehr viel aus den USA haben sich auf das Löten und Schweißen von Fahrradrahmen aus Stahl spezialisiert. Bevor man jedoch ein Fahrrad baut muss man wissen wo die Reise hin geht – welchen Fahrradtyp möchte man haben? Diese Frage konnte ich schnell beantworten, da ich genau weiß was in meinem Fuhrpark fehlt. Ein Fahrrad mit dem ich längere Strecken zurücklegen kann, dessen Eigenschaften es nicht zu stark auf asphaltierte Straßen beschränken. Es soll Gepäck tragen können und bei jedem Wetter Tag und Nacht fahrbereit sein.

Daraus ergibt sich der Fahrradtyp und damit die Geometrie des Rahmens. Das klingt jedoch einfacher als es in der Tat ist, denn der Fahrradrahmen wird nicht nur durch die Länge des Sattelrohrs bestimmt. Viele Winkel und Längen müssen aufeinander abgestimmt sein – besonders wenn es dann tatsächlich darum geht alle Rohre auf die richtige Länge zuzuschneiden. Dazu jedoch erst im nächsten Beitrag mehr, in dem es um die Arbeit rund um Fahrradrahmenbau geht.

Willkommen zurück in der Beitragsserie zum Thema Fahrradbau. In diesen Artikeln berichtet Michael ‚Mischa‘ Sinner von seiner Reise von der Idee einen Stahlrahmen selbst zu bauen und damit den Traum vom perfekten Rad zu verwirklichen.

Fahrradtyp und Fahrposition

Meine Vorstellungen auf ein Bild reduziert sehen etwa so aus:

Stahl Renner von Talbot

Vom Typ her ist es schon mal richtig: ein sportliches Rad inklusive Schutzbleche, Licht und der Möglichkeit Gepäck zu montieren. Lediglich die Sitzposition bei diesem Rad ist nicht für lange Touren ausgelegt. Aerodynamische Vorteile hat es durchaus, jedoch wird das auf sehr langen Strecken zur Nebensache, da die Aerodynamik vor allem bei Geschwindigkeiten von 35km/h+ ein wesentlicher Vorteil ist. Hier muss ich also das Bild etwas zurechtrücken. Denn ich werde auf lange Strecken mit Gepäck keine Durchschnittsgeschwindigkeit in diesem Segment anvisieren.

Die Fahrposition sollte also weniger sportlich sein, der Rücken eher gerade in einer aufrechteren Position. Jedoch auch nicht völlig senkrecht. Dazu eine Grafik aus unserem Beitrag zur Rahmenhöhe.

Fahrposition in Zusammenhang zur Rahmenhöhe.

Meine Position sollte irgendwo zwischen Mittel – Aufrecht sein. Das erreicht man durch die richtige Rahmengeometrie passend zur eigenen Anatomie.

Dabei gibt es einige Richtwerte am Rahmen an die man sich richten muss. Stack und Reach spielen eine Rolle als auch der Drop (Höhenunterschied von Sattel zu Lenker).

Rahmenhöhe

Alte Werte sterben nie aus. Die Rahmenhöhe ist aber auch heute noch ein relevanter Wert wenn es darum geht grob die Höhe eines Fahrrads abzustecken. So bin ich auch bei meiner Suche hier gestartet. Denn diese sollte in etwa passend zur Körpergröße ausgewählt werden. Bei meiner Schrittlänge von knapp 87cm und 186cm Körpergröße bin ich auf einen (naiv) optimalen Wert von 59cm gekommen.

In der Theorie sollte man sich, wenn die Rahmenhöhe ein ungerader Wert ist (oder das Rad in dieser Größe nicht verfügbar) für eine Nummer größer entscheiden wenn das Rad gemütlicher sein soll oder eben eine Nummer kleiner wenn es sportlicher sein soll.

Stack to Reach Verhältnis

Bei Stack und Reach handelt es sich um den Abstand waagrecht und senkrecht von Mitte Tretlager bis Lenker. Jedoch kann man auch die relative Stack/Reach zum Rahmen messen. Durch Vorbaulänge und Spacer (Vorbauhöhe) hat man dann Spielraum.

a: Stack gibt die Höhe universell an, Mitte-Tretlager bis Lenkerhöhe; b: Reach gibt die Länge an (Mitte-Tretlager bis Lenker); c: Oberrohrlänge

Die Werte bringt man dann ins Verhältnis (Reach / Stack). Ein sportlicher Wert liegt bei 1,3 und ein eher bequemer Wert zwischen 1,5 oder 1,7. Dazu auch noch gleich mehr im Bikefitting Kapitel unten.

Drop – Sattel zu Lenker

Die letzte wesentliche Kennzahl ist der Drop. Der „Fall“ vom Sattel zum Lenker. Um eine aerodynamische (aber weniger angenehme) Position auf dem Rad zu erhalten bückt man sich. Dieses Bücken unterstützt man durch einen hohen Sattel und niedrigen Lenker. Auf Bahnrädern ist sogar das Oberrohr abfallend (ein negatives Sloping). Ich möchte aber eher das Gegenteil. Bei meinem Stadtrad (mit Kindersitz hinten, Gepäckträger und bequemen Sattel) ist Sattel und Lenker auf etwa der gleichen Höhe. Das ist ein guter Wert an dem ich mich orientieren möchte.

Fahrrad Geometrie

Die Geometrie am Fahrradrahmen bestimmt man nicht zufällig. In der Regel hat jeder Hersteller und kleiner Rahmenbauer in der Werstatt eine Software um einen Rahmen zu gestalten. Es gibt sogar kostenfreie opensource Software, wie z.B. rattleCAD. Wer das selbst mal ausprobieren möchte. Schnell stellt man aber fest, dass die Menge an Parametern gigantisch ist.

Die Software aus dem Kurs von Robert Piontek ist übersichtlich (jedoch habe ich den Namen vergessen). Eine Beispielkonfiguration sieht wie folgt aus:

rahmengeometrie fahrrad

Es ist ein blaues Fahrrad mit Zahlen. Alle anderen 1.000 Werte werden ausgeblendet, die durch die Software zusätzlich berechnet werden. Es geht um Winkel der Sitzstreben, Kettenstreben, Position dieser auf dem Tretlager usw. Das sieht man dann noch genauer, sobald man sich an den Rahmen macht.

Nun gilt es ästhetische Vorstellungen zu nehmen und über Bord zu werfen. Denn man kann ein hübsches Fahrrad haben oder ein bequemes. Selten schafft man beides. Weshalb ich auf ein waagrechtes Oberrohr verzichtet habe (Kompromiss: es soll nur ein kleines Sloping haben).

Mir war ein Stack to Reach Faktor von ca 1,5 oder höher wichtig. Der Drop im Sattel auf Lenker sollte ebenfalls nicht zu hoch sein. Auch solle der Abstand vom Lenker nicht so hoch sein, damit man sich nicht zu weit nach vorne streckt.

Alles theoretische Werte und Ideen. Praktisch muss man im Finetuning die genauen Werte bestimmen. Entweder man hat ein Rad auf dem man eine ideale Sitzposition hat oder kann eben bei so einem Kurs noch einmal auf einem einstellbaren Dummyfahrrad die optimalen Winkel und Längen finden.

Mein Bikefitting

Im Kurs zum Rahmenbau hatte ich kurz vor dem finalen Festlegen der Rahmengeometrie auf einem frei einstellbaren Fahrradmodel gesessen. Aber ich hatte auch schon letztes Jahr ein Bikefitting hinter mir (ein Interview mit dem Bikefitting Experten Philip Kaczmarowski enthalten).

Das Ergebnis für mein Rennrad sah ungefähr so aus.

Bikefitting – An den Körper angepasste Fahrrad-Geometrie-Werte

Man sieht sofort: eine sportliche Haltung. Auf dem Rennrad praktisch, wenn man nicht immer der letzte in der Gruppe sein möchte der im Windschatten fährt. Es ergibt sich sogar ein Stack to Reach von 1,37. Und ein Drop von 87mm. Das ist aber wie gesagt nicht meine Ambition für den Rahmenbau.

Deshalb ist das eine gute Referenz wo man nicht landen möchte. Wem eine optimale Position auf dem Rad wichtig ist sollte sich mit dem Thema unbedingt auseinandersetzen.

Zusammengefasst

Bei der Rahmengeometrie geht es um ästhetische Vorstellungen, die gewünschte Fahrposition und eigene Werte. Wenn man all das zusammenwirft dann könnte dabei ein sehr guter Fahrradrahmen herauskommen. Konjunktiv für mich, weil ich mich schwer festlegen kann. Ein solches Rad für genau diese Anforderungen hatte ich so noch nicht. Ohne Referenzwerte kann ich mich nur an meinem Cyclocross oder Stadtrad („Fitnessbike“) orientieren.

Meine finale Version des Fahrradrahmens weicht nun deutlich von den initialen Ideen ab. Aber nur insofern, dass wir beim Feintuning noch einige Parameter auf „weniger sportlich“ getrimmt haben. Hier die Daten:

Rahmengeometrie Fahrradgeometrie Diagramm finale Version
Rahmengeometrie Finale Version

Die Rahmenhöhe lag initial bei 58,5cm mit einem kleinen Drop und einem Stack to Reach von ca 1,55. Letztendlich sind es aber 56,6cm Rahmenhöhe geworden. Dabei haben wir ein Finetuning direkt vor Ort gemacht. Mit mir auf dem Fahrradmodel an dem wir die Einstellschrauben hin und her geschoben haben bis ich ein gutes Gefühl hatte. Und das ist das wichtigste dabei.

Ich hoffe ihr konntet etwas aus diesem Beitrag für euch mitnehmen. Habt ihr noch Tipps für den perfekten Fahrradrahmen? Ich freue mich über eure Kommentare.