Meine 16-Summits-Challenge 2019 führt mich über verregnete und eiskalte Berge. Nicht nur taube Finger sondern auch extremes Verlangen die Tour abzubrechen begleiten mich auf dem Weg durch die Wälder. Als ich mich mit meinem MTB auf den Weg zu den höchsten Punkten vom Saarland und Rheinland-Pfalz mache. Und tatsächlich muss ich irgendwann die Reissleine ziehen, bevor ich mich noch ernsthaft (und bescheiden gesagt sinnlos) in Gefahr bringe.
Alles beginnt an einem leicht verregneten Morgen an einem Stausee bei Nonnweiler im Saarland. Regentropfen prasseln laut aufs Dach meines VW T6, welchen wir für eine kleine Tour ins malerische Elsass gemietet haben. Mit Kindern im Camper und dem Faltdach eine optimale kleine Tour für 5 Tage über ein verlängertes Wochenende. Natürlich kombiniere ich diesen Besuch mit meiner Challenge. Mit meinem MTB am Heckträger befestigt glaube ich perfekt gerüstet zu sein.
GPS Tour: check – Richtiges Fahrrad für hartes Gelände: check – Genug Zeit für die Tour – che… naja, sollte passen – Richtige Ausrüstung für Regen: …. Fehlanzeige.
Ok, man kann ja mal seine Regenjacke – oder überhaupt irgendeine Jacke – vergessen. Und leider liegt nichts auf dem Weg um sich spontan alles Notwendige einzukaufen. Die Fehleinschätzung, es wird ja nur eine kurze MTB Tour von „nur“ 30km ist nur der erste Fehler. Den Regen zu unterschätzen und einfach los zu fahren – ein Zeichen von Sturköpfigkeit. Nichts zum Nachmachen.
Ein sandiger Weg entlang des Stausees führt in Richtung meines ersten Tagesziels, dem Dollberg. Mit 625hm und einem Höhenunterschied von ca 300hm vom Parkplatz eine leicht zu unterschätzende Tour. Zu meiner Linken ziehen die Bäume vorbei, dahinter der See. Es ist so schön wie es sich liest. Meine Augen können über diese Kulisse wandern, denn der Weg ist eben und leicht zu befahren. Schnell springt das aber von einem Extrem in das andere. Plötzlich biegt mein Track auf einen verwurzelten Singletrail und später über einen verlassenen Weg.
Wurzeln der umliegenden Bäume, die sich hier im Boden verankern, sind nur eine Herausforderung für mein Rad, welches für dieses Gelände optimal ist. Zum Glück habe ich wenigstens das. Doch die durch Regen extrem rutschigen Steine sorgen für den Rest, so muss ich häufig Passagen einlegen in denen nur noch geschoben wird. Ein beinahe Sturz senkt auch das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
Als ich dann im Schritttempo eine Gruppe älterer Damen und Herren, die wandernd den Dollberg besuchen, überhole wird das ganze Vorhaben auch noch leicht ins Lächerliche gezogen. Merkbar verstummen die Gespräche als ich die Gruppe überhole. Nur um kurz nachdem ich sie passiert habe wieder aufgenommen zu werden. Ich kann mir deren rätselnde Blicke im Rücken gut ausmalen. „Ist der Typ gerade mit einem Mountainbike den Wanderweg hochgefahren? Hatte er tatsächlich keine Jacke an, es regnet doch? Was macht er hier?“
Fragen die ich gar nicht beantworten möchte. Vielleicht ein Anflug von leichter Paranoia? Oder doch ernst zu nehmende Fragen, die ich mir selbst stellen sollte. Aber wenn man sich ein Ziel gesetzt hat, wer kennt das Gefühl nicht, dann auch tatsächlich davon nicht loslassen zu können? Wann hätte ich noch Mal die Gelegenheit in dieser Gegend zu sein, es würde kompliziert werden.
Als ich dann den Dollberg hinter mir lasse, eine leichte Erhebung die kaum der Rede wert ist, geht es auf Wegen weiter, die so gar nicht fürs Radfahren ausgelegt sind. In den Kommentaren zu meiner Challenge kann ich mich noch erinnern gelesen zu haben, dass die Verbindung zwischen Dollberg und meinem nächsten Ziel, dem Erbeskopf, nicht fürs Rad ausgelegt ist. Mit 2.2″ Reifen sollte aber prinzipieller jeder Wanderweg machbar sein. Doch mit so schlechten Wegen habe ich tatsächlich nicht gerechnet.
Es geht über verregnete Wanderwege weiter. Teilweise lenkt der Track mich auch auf Passagen, die schon lange von niemandem mehr begangen wurden. Durch kniehohes und nasses Gras und Pfützen, die die ganze Straße einnehmen, rollen meine Reifen. Die Beschaffenheit der Wege bremst meinen Schnitt auf 6km/h. Und damit dehnt sich auch die Zeit, die ich bei Regen und 0° verbringe. Tatsächlich hat mein Wahoo Elemnt Bolt auch ein Thermometer, welches mir später quantifizieren kann, wie sehr ich gefroren habe.
Und tatsächlich ist es die Passage zwischen beiden Bergen, die an diesem Tag die größte Herausforderung wird. Allein der Gedanke, dass eine erneute Anfahrt mit großen Strapazen verbunden sein wird, treibt mich immer weiter an. Die Finger sind taub. Zum Schalten der Gänge kann ich den Daumen oder Zeigefinger nicht mehr benutzen. Stattdessen muss die ganze Hand plump gegen den Hebel gedrückt werden. Da ich keinen Finger mehr einzeln ansteuern kann. Der Fahrtwind bei kurzen Passagen bergab gibt mir den Rest. Meine Rettung ist dann etwas ungewöhnlich, nämlich meine Hüfttasche.
Die genannte Tasche lässt sich nämlich in einen Rucksack umfunktionieren. Diesen kann ich dann verkehrt auf die Brust statt auf den Rücken ziehen. Der so gewonnene Puffer zum Fahrtwind bringt viel. Fast wie ein Windstopper oder eine Jacke, die jeder vernünftige Mensch mitbringen sollte. Aber wer ist schon vernünftig.
Auch die Abfahrt gestaltet sich ähnlich schwierig. Geschützt durch meinen nach vorne gekehrten Rucksack kann ich die Abfahrt aber auch nicht wirklich genießen. Nur den geplanten GPS Track ersetze ich kurzerhand durch eine Bundesstraße, denn noch Mal zurück in den Wald, das tue ich mir nicht an. Lasse also bei erhöhter Bergabgeschwindigkeit die wurzeligen Bäume links liegen, bis ich den Stausee wieder zwischen den Bäumen erblicken kann. Dabei moduliere ich die Geschwindigkeit immer so, dass ich gerade noch mit meinen steif gefrorenen Fingern abbremsen kann.
Am Auto angekommen muss ich die nassen Klamotten sofort ausziehen. Doch auch hier sind meine völlig auf Grobmotorik eingeschränkten Finger keine Hilfe. Weshalb die Knöpfe am Hemd nicht aufgeknöpft sondern einfach abgerissen werden. Etwas arg theatralisch, untermalt aber doch in meinem Gedächtnis, wie verdammt kalt es war. So schlimm hatte ich mir diese Challenge nicht vorgestellt, aber manchmal muss man ja auch herausfinden, wo die Grenzen sind.
Meine Strava Aufzeichnung dazu – folgt mir gerne, für noch mehr Irrsinn auf dem Fahrrad:
Die meisten Fotos aus diesem Beitrag sind, muss ich jedoch zugeben, aber nicht bei der Fahrrradtour selbst entstanden. Es sind vielmehr die Bilder der Elsass Tour, bei der ich auch die beiden Gipfel für die 16 Summits Challenge abhaken konnte.