Knackig. Etwas überdreht. So etwa fühlt sich das Fahren auf einem Fixie oder Singlespeed an. Wobei Singlespeed so etwas wie die ‘light’ Variante des Fixies ist. Das ist aber nicht negativ gemeint. Gründe für das Singlespeed gibt es genug, genauso für das Fixie. Wenn man etwas auf das Wesentliche reduziert, dann nennt sich das asketisch oder puristisch. Auch das sind Attribute eines Fixies oder Singlespeed-Rads.
Wie aber baut man das Fixie? Ja, bauen. Selbst. Denn Minimalismus erreicht man durch Weglassen. Die einfachste Form des Basteln. Nun gut, so einfach wie das klingt ist die Sache dann doch nicht. Aber auch nicht so kompliziert, als dass der Spaß den Aufwand nicht wieder ausgleichen würde.
Sein Fahrrad selbst zu bauen ist spannend. Bedeutet ja nicht, dass man den Rahmen selbst schweißen muss. Auch wird man nicht immer Spezialwerkzeug benötigen. Häufig genug könnt ihr den Fixie Fahrradrahmen schon mit fertigem Patronenlager mit Aufnahme für Vierkantkurbel und einem Steuersatz finden. Dann reduziert sich das Werkzeug auf die gängigen Hausmittel: Zange, Schraubenzieher und diverse Sechskant.
Und plötzlich geht man auf die Jagd. Nach schönen vintage Fahrradrahmen von Ernesto Colnago, Kurbeln von Campagnolo und einem Vorbau von 3TTT. Doch wo fängt es an? Und wenn man angefangen hat, wie hört man auf? All die Fragen und das 1×1 des Fixie-Bauens habe ich hier zusammengetragen. Aber nicht nur das. Ich werde mit euch in einer dreiteiligen Beitragsserie ein Singlespeed aufbauen. Mit einem Budget von 400€.
Umfangreich sind die Themen beim Selbstbau des Fahrrads schon.
- Was möchte ich?
- Wo fange ich an? Was ist die Grundlage?
- Was brauche ich? Muss ich eine Werkstatt haben? Spezialwerkzeug?
- Lackieren und Rahmen schweißen? Eher nicht! Aber es geht alles.
- Welche Komponenten gibt es?
- Wie wird aus all den Fragen nun (m)ein fertiges Fahrrad?
Singlespeed mit Budget
Definieren wir erst das Budget. Ein Limit von 400€ kann viel oder wenig sein. Je nachdem kann man auch deutlich darunter liegen oder auch etwas mehr ausgeben. Es kommt auf die Ambition, Vorstellung über das Ziel, Zeit und gegebenen Ressourcen an. Und vor allem auch, ob man Neuware oder zu gebrauchten Angeboten greift.
Ich zeige euch in dieser Beitragsserie, wie ich ein Singlespeed Gravel-Rad aufbaue. Vom Aussuchen eines Rahmens auf eBay bis hin zur finalen Montage. Mit einem Limit von 400€ in der Kasse.
Bitte bedenkt – Im Wesentlichen: Die primären Kostenträger sind ein Rahmen (mit Gabel, Tretlager und Steuersatz) und ein Laufradsatz (Naben, Speichen und Felgen). Die restlichen Anbauteile stellen den dritten Kostenblock dar, der das meiste Einsparpotential hat. Je nachdem wo man auf Gebrauchtes zurückgreift, wo auf Sonderangebote und Restposten und wo man explizit Geld in Qualität verwandeln möchte.
- Rahmen: zwischen 100 – 200 EUR für einen gebrauchten Stahlrahmen (mit Gabel und Lagern) auf Kleinanzeigen ist ein realistischer Preis (es kann auch ein komplettes Rad sein, welches man „Stript“, also von allen Anbauteilen löst und neu aufbaut)
- Laufradsatz: Man bekommt unter 100 EUR den Klassiker für solche Umbauprojekte – ein Shimano WH-R501; es ist günstig und die Nabe ist kompatibel mit gängigen Ritzeln.
- Komponenten: Dazu gehören Lenker, Vorbau, Bremsen und Bremshebel, Sattel, usw. All das kann irgendwo zwischen 150-300 EUR verschlingen. Je nachdem ob man bei 0 anfängt oder „Altmaterial“ mitbringt; ob man Sonderangebote heraussucht oder ganz spezielle Wünsche hat.
Meine Einkaufsliste:
(bitte bedenkt: ich habe bei 0 angefangen und kaum bis gar keine vorhandenen Teile genutzt, auch wenn das möglich gewesen wäre. Um eine komplette Liste zu haben. Mein Ziel ist es preiswerte, sehr günstige Angebote oder Schnäppchen zu finden. Oder eben Augen zu und durch, Hauptsache das Budget wird nicht gerissen.)
Komponente | Preis | Beschreibung | Kompabilität |
---|---|---|---|
Rahmen | 70,00 € | Fundstück auf eBay Kleinanzeigen. Ich habe einen alten MTB Rahmen gesucht (mein Ziel ist ja ein Gravel Offroad Bike zu bauen). | Cyclocross Bike (gute Reifenfreiheit), Cantilever-Bremsenmontage, Ahead Vorbau. Tretlager mit Vierkantkurbel. Steuersatz eingebaut. |
Gabel | 20,00 € | Separates Angebot vom gleichen Verkäufer. | (Im Rahmen) |
Lager (Steuersatz und Tretlager) | - | Integriert | Vierkantkurbel, 1 1/8″ Lager (Gabelschaft) |
Vorbau | 10,99 € | brand x (die Verbindung von Gabel zum Lenker) | 90mm Länge, Durchmesser Gabelschaft 1.1/8″ |
Vorbau Spacer | 2,60 € | Noname (Spacer zur Justierung der Lenkerhöhe am Ahead-Vorbau). | Gabelschaft-Durchmesser 1 1/8" |
Lenker | 27,99 € | 3T Enorva Pro Lenker | 31,8mm (Klemmung Vorbau) |
Bremshebel | Shimano 105 R50xx Bremse ohne Schalthebel (deshalb eine Variante aus den 90ern bevorzugt, die heute nicht mehr produziert werden; am besten gebraucht) | ||
Bremszüge und -Mantel | 3,99 € | VR und HR Bremszug Set mit Mantel (Universell) | 1m und 2m Länge. |
Bremsen | 28,76 € | Tektro 926AL Mini V-Brake | Mini V-Brake auf x-mm Cantilever |
Sattelstütze | 12,99 € | brand x - Layback 6061 | 31,6mm (Durchmesser zum Sattelrohr am Rahmen) |
Sattel | 12,99 € | brand x - Trail | Standardsattelklemme (2 Schienen) |
Laufradsatz | 109,00 € | ROSE Shimano Deore T610 Nabe (Einsteiger MTB Laufradsatz) | Einbaubreite (135mm HR, 110mm VR) |
Schnellspanner | 9,90 € | Noname | Einbaubreite 100mm VR und 135mm HR |
Ritzelset | 16,50 € | SIXPACK-RACING Singlespeed Kit | Kompatibel mit Shimano Freilaufnaben |
Kurbel | 24,99 € | Shimano Acera Kurbelgarnitur FC-M361 | Vierkant Kurbel |
Kettenblattschrauben | 3,60 € | Rohloff Distanzscheiben für Kettenblatt | Zur Umrüstung von 3-fach Kurbel auf 1-fach |
Pedale | 8,99 € | Noname - Standard Plattformpedale | Standard Pedalschraube (M8) |
Kette | 3,99 € | KMC S1 Wide Kette 1-fach | 1/2 x 1/8 ” (Singlespeed / Nabenschaltung) |
Reifen | 42,98 € | Schwalbe G-One 700x38C | 28″ Reifen (622mm) passend zum Laufradsatz (25×622) |
Schlauch | 6,98 € | Kenda Sclaverand (2x) | 28″ Schlauch für 38×622 |
Mit 417,24 € ist das Budget leider knapp verfehlt!
Zwar nur knapp, aber ich gebe zu – ich sehe das auch nicht all zu kritisch. Aus zwei Gründen:
a) Es gibt bei vielen Teilen noch Einsparpotential durch Gebrauchtteile oder durch noch mehr Recherche – ich hatte jedoch auch etwas Zeitdruck und wollte den Beitrag zeitnah abschließen.
b) Außerdem hat man meist noch einen Sattel mit Sattelstütze, Lenker, Lenkerband usw. noch von einem alten Projekt übrig.
Insgesamt kann man die 400€ Grenze meiner Meinung also halten. Ich werde für diesen Beitrag aber „Fünfe gerade sein lassen“. Wer wirklich Geld sparen möchte baut einen Scheunenfund oder Papas altes Rad um. Dann braucht man nur noch das kaufen was fehlt oder ersetzt werden muss.
Singlespeed Rahmen
Erster Schritt ist immer die Vision was man genau haben möchte. Häufig werden alte Stahlrahmen zum neuen Leben als Singlespeed oder Fixie geführt. Prinzipiell kann man aber jede Art Fahrrad als Singlespeed aufbauen – MTB, Monstercross, Gravel… ihr wisst schon. Wie praktisch das ist muss jeder für sich entscheiden.
Was spricht dafür und was dagegen ein „puristisches“ Rad aufzubauen? Dies möchte ich nur kurz anreissen. Aber wer sich getriggert fühlt kann gerne in den Kommentaren in die Diskussion gehen.
Pro
Contra
- Wartungsarm
- Wenig Fehlerpotential (wo nichts ist da kann nichts kaputt gehen)
- Einzigartiges Fahrgefühl (reduziert auf das Wesentliche); gerade beim Fixie
- Cleane Optik
- Recycling: Statt einem neuen Carbon Rahmen verwertet man bestehende Teile
- Verpönt, manche edle Rahmen werden vermurkst (hängende Kette, nicht passende Komponenten oder Optik); letztlich sehr Subjektiv
- Unpraktisch: ein Singlespeed hat keine praktischen Vorteile für lange Touren, es ist ein sehr speziell auf den Einsatzzweck „Stadtrad“ fokussiertes Rad
Auswahl eines Singlespeed Rahmen
Beim Aufbau eines am Rennrad orientierten Projekt kommt es vor allem auf die Geometrie des Fahrradrahmens an. Der Rahmen sollte nicht nur von der Größe (die Rahmenhöhe ist für alte Rahmen ausschlaggebend) zu euch passen. Es sollte auch euren Ansprüche genügen. Dazu gehört:
- Rennrad oder Tourenrad
Viel häufiger findet man gebrauchte Tourenräder statt echte vintage Rennräder. Ein Rennradlenker macht noch lange kein Rennrad. Wenn der Rahmen Aufnahmen und Ösen für Schutzbleche, Fahrradlicht oder Gepäckträger hat, dann ist der Verwendungszwecke ganz klar: Tour. Diese Räder wurden viel häufiger verkauft als echte Rennräder. Entsprechend ist der Markt an gebrauchten „Rennrädern“ voll mit solchen Tourenrädern.
Was macht den Unterschied?
Die Rahmengeometrie. Ein Tourenrad hat einen weiten Radstand und längeren Nachlauf. Dadurch reagiert es langsamer auf Lenkbewegungen und man hat es leichter im Griff. Echte Rennräder hingegen sind quirlig und reagieren sensibel auf jede Lenkbewegung. Wer agil, schnell und auf das Feeling eines Fixies aus ist greift zum Rennradrahmen. Anders gesagt: das Tourenrad ist brav und ein Rennrad aggressiv. - Reifenfreiheit
Gerade alte Rennräder waren auf 21 oder 23mm Reifen ausgelegt. Die Erkenntnis „breit läuft schnell“ kommt erst ab 2010 in Mode. Heute sind 28mm Reifen auf Rennrädern üblich, und der Trend geht immer weiter und breiter. Jedoch wird man am Singlespeed oder Fixie durch Seitenzugbremsen eingeschränkt sein. Wählt man dann auch noch einen echten Rennradrahmen, dann muss man immer vorab prüfen, wie viel Platz der Reifen hat. Und sich von Klein nach Groß durchprobieren. Mit 25mm Reifen macht man aber nichts verkehrt.
Für mein Projekt habe ich jedoch einen „Cross“ Rahmen gewählt, der eine sehr große Reifenfreiheit hat. Da mein Singlespeed als Offroad-Gravel-Bike genutzt wird.
Ich hoffe diese Tipps und Ideen sind Anregung genug euer eigenes Projekt zu starten. Noch Fragen? Ab in die Kommentare.
Fixie oder Singlespeed?
Es ist halbwegs egal zum Start ob man letztlich auf ein Singlespeed oder Fixie hin baut. Denn der Unterschied ist dann nur noch ein Katzensprung. Mit einer Flip-Flop-Nabe kann man sogar das Hinterrad kurz ausbauen, drehen und wieder einbauen um zwischen Fixed und Freilauf zu wechseln. Ich persönlich bleibe dem Singlespeed treu – aber das muss jeder selbst wissen. Das Fixie-Fahrgefühl hatte mich nie gecatcht.
Im weiteren Verlauf werde ich noch genauer auf die Unterschiede beim Aufbau hinweisen. Aber vorerst kann man sich die Optionen offen lassen. Wem das Fixie doch zu extrem ist kann mit einer weiteren Bremse am Hinterrad auch schnell auf das Singlespeed umbauen.
Mein Singlespeed Rahmen
Dieses Fundstück auf ebay-kleinanzeigen hat seine eigene Geschichte, es dauerte „lediglich“ Monate, bis das Ding bei mir war – aber das ist hier nicht weiter relevant.
Mit Vierkant-Tretlager und eingebautem Steuersatz (Steuerlager) ist dieser Cross / MTB-Rahmen perfekt für meine Idee zum Singlespeed-Gravel-Bike. Es hat nämlich V-Brake Bremsaufnahmen am Rahmen (ehemals für Cantilever-Bremsen genutzt). Mit Mini-V-Brakes kann ich Rennrad-Bremshebel und Rennradlenker verbauen (siehe V-Brakes mit Rennradhebeln Anleitung) und gleichzeitig fette Reifen aufziehen. Dem Offroad steht nichts mehr im Weg!
Und jetzt?
Der Rahmen ist das Centerpiece eins Singlespeed-Projekts. Es entscheidet über die Optik, das Fahrgefühl und legt den Grundstein welche Komponenten zu wählen sind (aufgrund Kompabilität). Echte Fahrradnerds können auf den ersten Blick erkennen, ob ein Rad tatsächlich ein Rennrad oder eigentlich nur ein Tourenrad ist. Wenn ihr euch also beim nächsten Sonntagstreff nicht mit einem braven Tourenrad in Verlegenheit bringen wollt, dann achtet auf die Unterschiede.
In den nächsten zwei Beiträgen werde ich auf den genaueren Aufbau eingehen. Zuerst kommt der Antrieb mit Kurbel, Kette(nspannung), Ritzel, Übersetzung und Laufräder. Und im letzten Schritt alle Anbauteile.
Wer auf die nächsten Beiträge nicht warten kann, kann sich mit der letzten Beitragsserie zum „Fahrrad selber bauen“ die Zeit vertreiben.