Update 31-12-2020: Beitrag erweitert um Kapitel zu drei- und zweifacher Lagerung; Uno und Duo Pedale Detail

Sport und Leistung gehören zusammen. So auch Rennräder und Wattmesser. Effizientes Training und eine detailierte Leistungsanalyse machen die Sensoren bei Rennrad-Sportlern so beliebt. Ohne ist modernes Training undenkbar. Gravel Bikes sind auch eine Abwandlung des Rennrads. Jedoch rechnen Hersteller der Sensoren heute noch selten mit diesem Klientel. Insofern gibt es kaum Wattmesser-Pedale für SPD-Klickpedale. Also basteln wir uns wieder selbst was. Ein echter Hack für Datenjunkies.

Idee und Motivation

Gravel- und Allroad-Bikes sind ein Trend. Damit bringt man nicht nur Rennrad-Optik ins Abenteuer abseits der Straße. Sondern auch echten Sport mit entsprechenden Ambitionen. So zum Beispiel in der Gravel-Rennserie „Orbit 360“ – welcher 2020 zum ersten Mal in allen 16 Bundesländern der Republik ausgetragen wurde. Dabei rollten ambitionierte Sportler auf Rädern aller Art. Mountainbikes als auch Rennräder mit richtig dicken Reifen. Die Grenzen zwischen den Radgattungen Rennrad, Cyclocross, Randonneur oder Gravel-Bike sind fließend. Und damit springen immer mehr Hobby-Rennradler auf Schotterpisten um. Doch alte Gewohnheiten will man nicht ganz ablegen.

Denn mit den immer mehr aufkommenden Gravel-Rennen entsteht entsprechender Leistungsdruck. Man will sein Training vom Rennrad aufs Graveln übertragen. Bedeutet in vielen Fällen entsprechend auch einen Leistungsmesser (Wattmesser) zu benutzen. Doch leider sind diese praktisch alle für Rennradpedale entwickelt. Eine SPD-Klickpedal-Lösung sucht man vergebens.

Entsprechend wurde ein Hack aus der Fahrrad-Community als Sensation gefeiert. Ein paar findige Bastler sind auf die naheliegende Idee gekommen Pedale mit Wattmesser selbst umzurüsten. Von einem Klick-System auf das andere. Und ja: es funktioniert!

Von Hobbybastlern zuerst entdeckt

Unter Radtechnik-Nerds ist der Youtube-Channel von GPLama (Shane Miller) beliebt. Hier wurde auch das erste Video zum SPD-Pedal-Wattmesser-Hack vorgestellt. Was bereits viele Nachahmer gefunden hat. Er selbst referenziert aber weitere Quellen aus der Community, wodurch er selbst erst auf die Idee gekommen ist. Wie dem auch sein mag: wir führen diese Liste der Nachahmer weiter fort. Und zeigen euch, wie auch ihr diesen Hack für euch nutzen könnt.

SPD Wattmesser Pedale umbauen

Der Umbau ist tatsächlich viel einfacher als man denkt. Mit haushaltsüblichem Werkzeug zu bewältigen und nahezu Risikofrei. Sensoren zur Wattmessung sind denkbar empfindlich. Sie müssen auf extrem feine Materialverformungen reagieren (auch wenn wir viel Kraft und Gewicht auf das Material ausüben, so ist der Sensor selbst extrem empfindlich). Doch diese Modifikation in der Heimwerkstatt ist ungefährlich für den Sensor. Denn die Elektronik sitzt gekapselt und geschützt abseits der Pedalplattform. Da nur die Plattform gewechselt wird ist alles sicher.

Risiko – Garantie: Zwar wird in dieser Anleitung das Originalteil des Herstellers (Favero Assioma) nicht modifiziert. Aber eben ein Pedalkörper einer anderen Marke installiert. Somit ist fragwürdig ob die Garantie des Produkts erhalten bleibt. Vermutlich würde die Kulanz des Herstellers das hergeben, aber versprechen kann man das nicht. Insofern: Bitte beachtet, dass ihr alle Modifikationen an euren Produkten unter eigener Verantwortung durchführt.

Die Basis für diesen Hack sind Favero Assioma Pedale. Die einen Leistungsmesser an der Pedalachse haben. Die Achse selbst ist universell und bei anderen Herstellern baugleich im Einsatz. Jedoch sind nicht alle Pedale kompatibel mit diesem Umbau.

Favero Assioma Uno – Rechtseitiger Power Meter mit Pedalachse

(Update 31-12-2020: Die Assioma Uno (einseitige Messung) ist nur möglich mit dem linken Pedal, nicht mit dem rechten! Siehe Details unten)

Shimano Pedale sind beispielsweise nicht kompatibel. Denn diese werden zwar ähnlich auf eine Achse montiert. Jedoch sind unterschiedliche Gewinde am Werk. Auch das Lager ist anders. Ich hatte tatsächlich zum Testen ein paar Shimano PD ES600 SPD Pedale auseinander genommen. Die Achse ist zwar sehr ähnlich zu den Favero Assioma Pedalen, aber eben nicht gleich. Auch ist das Lager anders aufgebaut.

Aktuell bekannt als kompatibel zum Austausch sind Pedale von Xpedo. Diese haben die baugleiche Spindel zur Aufnahme der Pedalplattform. In folgender Anleitung werde ich ein paar „M-Force 3“ von expedo zum Umbau nutzen.
(Update 31-12-2020: Besser geeignet sind die M-Force 4 oder 8, welche 3-fach gelagert sind, siehe Kapitel dazu weiter unten)

Schwierigkeitsgrad: leicht
Werkzeug: Sechskant-Schlüssel-Set, 6mm-Nuss (Kopf) und Drehmomentschlüssel

Zuerst müssen die Pedale von den Kurbelarmen genommen werden. Bei allen Gewinden an den Pedalen gilt: Umgekehrte Drehrichtung beachten. Viele der Gewinde sind Links- oder Rechtsgewinde (je nachdem ob inneres oder äußeres Gewinde und/oder ob linkes oder rechtes Pedal). Geht am besten immer mit viel Gefühl an die Sache! Zur Demontage auch die Tipps in der Anleitung zur Montage der Pedale beachten.

An den Pedalen ist die Drehrichtung einfach zu merken: rechtes Pedal mit Rechtsgewinde und linkes Pedal mit Linksgewinde!

Wie folgt könnt ihr die Favero Assioma Pedale umbauen. Übrigens bietet Favero Assioma auch Ersatzteile für die Wattmesser-Pedale. Man kann den Sensor mit Pedalachse einzeln schon für knapp 419,00 Eur (aktueller Preis 2020-09-21) bestellen. Vergesst aber nicht auch ein Ladegerät für die Pedale zu bestellen, da dieses beim Ersatzteil nicht mitgeliefert wird.

Tipp: Übrigens müsst ihr bei der Montage der Pedale am Kurbelarm vorsichtig sein. Häufig wird angenommen, dass Pedale nicht allzu fest montiert werden müssen. Da aufgrund der umgekehrten Drehrichtung die Pedale sich „selbst festziehen“. Das ist jedoch falsch! Pedale müssen mit sehr hohem Druck befestigt werden – mehr dazu im Artikel zur Montage der Pedale.

3- oder 2-fache Lagerung des Pedalkörpers

(Update 31-12-2020)
Über zwei bzw. drei versiegelte Kugellager sind in der Regel Pedalkörper mit den Spindeln verbunden. Diese sind dann die Kontaktpunkte, auf denen die Kraft entsprechend wirkt. Zudem ist die Versiegelung wichtig, damit möglichst wenig Schmutz in die Lager gelangen kann. Gehen wir auf die Punkte im Detail ein.

Favero Assioma Pedale sind dreifach gelagert. Sie haben also drei Kontaktpunkte mit der Spindel.

Bei der Lagerung gibt es tatsächlich einen wesentlichen unterschied, welcher auch mit der Spindel-Kompatibilität einhergeht. Expedo M-Froce Pedale gibt es mit den Seriennummern 3, 4 und 8. In meiner Anleitung habe ich die M-Force 3 verwendet. Laut Hersteller finde ich diese etwas verwirrende Angabe:

Bearings: 1x sealed industrial bearing, 2x plain bearings per pedal

Ergibt dies in Summe 2 oder 3 Lager? Tatsächlich fehlen mir hier offizielle Aussagen des Herstellers, die über diesen Produkttext hinaus gehen würden. Laut xpedo.com werden die M-Force 3 als „1 Sealed Cartridge/1 DU“ beschrieben. Ich gehe also davon aus, dass der Körper nur 2 Lager hat.

Die M-Force 3 könnte ich zwar zerlegen um Klarheit zu bekommen, jedoch sind die inneren Lager nicht gedichtet und vermutlich lose. Das ist mir tatsächlich zu aufwändig, da es immer eine risikoreiche Sache ist lose Lager aufzumachen. Die viel Zeit kosten kann.

Die Zahl der Kugellager gibt auch die Form der Spindel an. Schließlich müssen diese Kontaktpunkte perfekt zusammenpassen. Doch ist diese in diesem Fall unterschiedlich, weil die M-Force 3 nur 2 Lager haben? Schauen wir mal im Detail:

Die Länge der Spindel an der relevanten Stelle (äußerstes Lager und innerstes Lager) ist nahezu gleich. Man kann beim Vermessen mit einer Schiebelehre zwar einen minimalen Unterschied festestellen, dieser liegt aber weit unter einem halben Millimeter (gemeint ist der Abstand zwischen den Lagern maximal links / rechts).

Hier noch Mal genauer mit Markierungen unter der Lupe betrachtet:

Im grünen Bereich liegt die Dichtung. Am roten Ende (ganz rechts) liegt der wichtigste Lager auf, der am weitesten außen liegt. Das ist (im Fall der M-Force 3) der gedichtete (hochwertigere) Lager, da hier die meiste Kraft wirkt. Etwa an der roten Linie in der Mitte liegt dann der zweite Lager der M-Force Pedale (ungedichtetes Lager). Bei Favero sind es in dem Bereich zwei weitere gedichtete Lager.

Zwar ist die Zahl der Lager unterschiedlich, jedoch hat dies keine Auswirkung auf die Spindelform und Größe. In dem relevanten Bereich ist diese gleich. So zumindest meine Beobachtung.

Kommen wir zur Dichtung. Diese ist an beiden Seiten relevant, aber an der Innenseite noch etwas wichtiger. Denn hier liegt auch ein Teil der Abdeckung des Sensors auf. Die Dichtung ist ein Gummiring und dann eine Kunststoffrolle, die zwischen Spindel und Körper liegt. Jedoch liegt hier keine Kraft auf! Der Anschlag beim Anschrauben der Pedale liegt am Lager (ganz außen), der Pedalkörper berührt den Sensor nicht.

Die Dichtung schließt zwar fast bündig am Sensor ab, aber hier wirkt keine relevante Kraft. Da diese über die innen liegenden (zwei) Lager aufgenommen wird. Auch erfüllt die Dichtung weiterhin ihre Funktion, so nach meiner Beobachtung.

Fazit zur Kompatiblität und Bedenken

Tatsächlich scheint die Kombination nicht an der Zahl der Lager zu scheitern. Die Form ist soweit ausreichend identisch und scheint mit der Spindel im Detail kompatibel. Am wenigsten Sorgen würde ich mich um den Sensor, da dieser wirklich ausreichend Abstand hat und der Pedalkörper diesen nicht tangiert. Zwei kleine Punkte bleiben aber, die minimal Bauchschmerzen bereiten.

Einerseits ist nicht klar, wie das Innenleben der M-Force 3 ganz genau ist. Es ist nicht auszuschließen, dass es minimale Unterschiede gibt die langfristig zu einem Problem werden könnten. Zudem hat der Pedalkörper in der von mir gewählten Konstruktion ein minimales Spiel. Das liegt etwa bei einem halben Millimeter, in dem sich der Körper unabhängig von der Spindel bewegen kann. Das ist durchaus bedenklich, ist mir aber beim initialen Aufbau nicht aufgefallen.

Mein Resümee: Ich bin diese Pedale nun über Brevets und sehr viel Trainingseinheiten etwa 4 Monate und etwas über 1.000km gefahren. Probleme sind noch keine aufgetreten. Zudem sind die Wattwerte soweit stabil. Ich werde sobald möglich noch einen Vergleich mit anderen Wattmessern durchführen, um eventuelle Einflüsse auf die Messgenauigkeit festzustellen. Aber bis dahin werde ich die M-Force 3 Faveros weiter fahren. Wer aber ebenfalls umbauen möchte empfehle ich besser auf die M-Force 4 oder M-Force 8 zu setzen, welche die gleiche Zahl an Lagern wie die Assioma Pedale aufweisen.

Links, Rechts, Uno, Duo

(Update – 31-12-2020)

Ein kleiner Fehler hatte sich noch im Originalbeitrag eingeschlichen. Nämlich, dass ich beim ersten Umbau die rechte Pedalspindel verwendet hatte. Das wäre in meinem Fall ideal, denn dann könnte ich die Pedale gegen andere Powermeter-Pedale testen, die ebenfalls Linksseiter sind. Jedoch ist das bei den Favero Assioma Pedalen nicht möglich. Da diese ebenfalls Linksseiter sind. Die Annahme, dass beide (rechtes und linkes Pedal) als „Unos“ funktionieren können, ist falsch. Nur die Linke ist als Master-Unit definiert und schickt die Daten an eine Head-Unit (GPS Computer) weiter. Das rechte Pedal alleine ist „dumb“ – es kann alleine nicht sprechen.

Somit muss man bei der Auswahl der Pedale darauf achten, dass man beim Uno-Aufbau auch immer die linke Pedalspindel nimmt. Uno-Rechtsseitig ist nicht drin.

Fazit – Läuft

Was bleibt zu sagen: Der Umbau ist Kinderleicht. Die Funktion wird nicht gestört. Und der Leistungsmesser funktioniert tadellos. Wie auch in vielen anderen Erfahrungsberichten kann ich nur zustimmen. Diese Lösung ist gangbar und ermöglicht ganz neue Trainingsformen.

Für mich ist diese Option sogar doppelt gut. Da ich generell SPD Pedale dem Clicksystem von Look/Shimano gegenüber favorisiere. Gravel-Schuhe sind bequemer auf lange Distanzen und bieten die Möglichkeit auch unterwegs ein paar Schritte zu laufen. Ohne sich gleich blöd vorzukommen. Was mit Rennradschuhen einfach nervig sein kann. Insgesamt ist das System ultra flexibel, da der Wattmesser von einem Rad aufs andere schnell übertragen werden kann. Was (neben dem Preis) die Pedale besonders attraktiv macht, im Vergleich zu anderen Wattsensor-Lösungen.

Alternativen zu diesem Hack

Neben den Favero Assioma gibt es noch die Möglichkeit direkt vom Hersteller SPD-Pedale mit Wattmesser zu beziehen. Und zwar von IQ-Square. Jedoch sind diese Pedale zwar seit Jahren angekündigt, mit einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne. Aber bis heute nicht ausgeliefert! Als einer der Backer der Kampagne bin ich noch immer guter Hoffnung, dass das Produkt auch demnächst kommt (erste Tests und Reviews sind bereits veröffentlicht). Aber das wäre die erste echte Alternative für MTB-Pedale zu diesem Hack.

Ansonsten bleiben auch noch andere Optionen. Beispielsweise Watt-Sensoren die an der Kurbel ansetzen. Auch diese sind relativ flexibel, wenn man eine einseitige Lösung akzeptiert (Sensor am linken Kurbelarm). Das Angebot von 4iiii zur „Precision Power Meter“ Kurbel (ab 259Eur). Oder der Stages Kurbelarm (aktueller Preis 2020-09-21) liegt bei 299Eur. Diese Preise kann aktuell keiner unterbieten. Jedoch hat man die meiste Flexibilität mit Sensoren am Pedal. Bleibt übrig zu sagen: jedes System hat seine Vor- und Nachteile! Auf die Stärken und Schwächen einseitiger Messungen werde ich Mal in einem zukünftigen Beitrag eingehen.